Dies ist eine Abschrift des Originaltextes – somit sind Schreibfehler ausgeschlossen.
FÜR DAS LAND
BRANDENBURG
BESCHLUSS
1
M 4/01 Potsdam
1. der Gemeinde Schweinrich, vertreten durch das Amt Wittstock-Land, dieses vertreten durch die Amtsdirektorin, Meyenburger Chaussee 6. 16909 Wittstock,
2. der
Gemeinde Rossow, vertreten durch das Amt Wittstock-Land, dieses vertreten durch
die Amtsdirektorin, Meyenburger Chaussee 6, 16909 Wittstock,
Vollstreckungsgläubigerinnen und
Beschwerdeführerinnen,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Reiner Geulen,
Schaperstraße 15,
10719 Berlin,
gegen
die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Verteidigung, Hardthöhe, 53125 Bonn,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Bräutigam, Fahs,
Diesselberg, Uhlandstraße 165/166,
10719 Berlin,
Vollstreckungsschuldnerin und
Beschwerdegegnerin,
wegen
Vollstreckung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung;
hier: Androhung von Zwangsgeld
hat
der 3. Senat
am 20. Dezember
2001
durch
den
Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Krüger,
den
Richter am Oberverwaltungsgericht Bergk und
den
Richter am Oberverwaltungsgericht Leithoff
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerinnen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 2. August 2001, soweit angefochten, geändert.
Der
Vollstreckungsschuldnerin wird für den Fall, dass sie ihren
Unterlassungspflichten aus den rechtskräftigen Urteilen des Senats vom 24. März
1999 - 3 A 55/97 sowie 3 A 60/97 - nach drei Wochen nach Zustellung dieses
Beschlusses weiterhin zuwiderhandelt, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 DM je
Verfahren. angedroht.
Die
Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Wert des
Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100.000,00 DM
festgesetzt.
Gründe:
1. Die Beschwerde ist zulässig. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung
in dem angefochtenen Beschluss bedarf es keiner vorherigen Zulassung der
Beschwerde. Die Vorschrift, die gegen bestimmte Beschlüsse des
Verwaltungsgerichts die Zulässigkeit der Beschwerde von ihrer Zulassung durch
das Oberverwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § l24 Abs. 2 VwGO
abhängig macht (§ 146 Abs. 4 VwGO), bezieht sich nicht auf Beschlüsse, die die
Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile zum Gegenstand haben. Danach
verbleibt es in derartigen Verfahren bei der Zulässigkeit der Beschwerde nach §
146 Abs. 1 VwGO. Die wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung in Gang
gesetzte Jahresfrist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) ist von den
Vollstreckungsgläubigerinnen eingehalten worden.
2. Die Beschwerde
ist auch begründet. Der auf die Festsetzung eines Zwangsgeldes gerichtete
Antrag der Vollstreckungsgläubigerinnen ist zulässig und begründet.
Die Androhung eines Zwangsgeldes ist vorliegend in entsprechender
Anwendung des § 172 Satz 1 VwGO zulässig. nach dieser Vorschrift kann das
Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde
ein Zwangsgeld bis 2.000,00 DM durch Beschluss androhen, wenn sie in den Fällen
des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder in
der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Danach
scheidet zwar eine unmittelbare Anwendung der genannten Bestimmung aus, da die
Sachaussprüche in den rechtskräftig gewordenen Urteilen des Senats
Verurteilungen der Vollstreckungsschuldnerin zu einem Unterlassen zum
Gegenstand haben. Der Senat erachtet jedoch in diesen Fällen eine entsprechende
Anwendung des § 172 Satz 1 VwGO jedenfalls dann für zulässig, wenn der
Vollstreckungsgläubiger hierdurch keine stärkere Rechtsposition erhält, als wenn
er die Vollstreckung eines auf ein Unterlassen gerichteten Urteils nach § 167
Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 890 ZPO betreiben würde. Im Hinblick auf den
Zweck des § 172 VwGO, eine abschließende Sonderregelung für die Erzwingung
hoheitlicher, nicht auf eine Geldleistung gerichteter Amtshandlungen zu
schaffen, spricht vieles dafür, diese Vorschrift auf alle Fälle der Erzwingung
hoheitlicher Amtshandlungen außerhalb der Geldvollstreckung einschließlich der
Erzwingung von Unterlassungspflichten anzuwenden (vgl. Pietzner in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 172 Rdn. 18 f. mit
zahlreichen Nachweisen zum Streitstand; vgl. zur ähnlichen Problematik von auf
ein Unterlassen gerichteten einstweiligen Anordnungen Beschluss des Senats vom
1. Juni 2001 - 3 E 97/00 - m. w. N.). Ebenso wenig wie jenes dem zuvor
genannten Beschluss des Senats zugrunde liegende Verfahren gibt das vorliegende
Verfahren Anlass, die Frage der Vollstreckung von auf ein Unterlassen
gerichteten gerichtlichen Entscheidungen abschließend zu klären. Denn
ungeachtet dessen, ob in diesen Fällen ein Vorgehen nach § 167 Abs. 1 Satz 1
VwGO i. V. m. § 890 ZPO in Betracht kommt - in diesem Fall wäre neben der
Verhängung von Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM auch die Verurteilung zu Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten zulässig -, hält der Senat jedenfalls das den
Vollstreckungsschuldner weniger belastende Verfahren nach § 172 VwGO (die Höhe
des Zwangsgeldes ist auf 2.000,00 DM begrenzt; Ordnungshaft und
Ersatzzwangshaft sind nicht vorgesehen) nicht für unzulässig.
Für den Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes besteht auch ein
Rechtsschutzbedürfnis, da zwischen den Beteiligten streitig ist, ob bestimmte
Maßnahmen der Vollstreckungsschuldnerin mit den Sachaussprüchen der zu
vo1lstreckenden Urteile vereinbar sind; dies betrifft insbesondere die Frage,
ob die Vollstreckungsschuldnerin berechtigt ist, Schilder der Art, wie sie der
Kommandant der „Truppenübungsplatzkommandantur Wittstock“ unterzeichnet hat, in
den Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen aufzustellen.
Der Antrag ist auch begründet.
Nicht zu
beanstanden ist allerdings, dass die Kammer in der Besetzung von drei Richtern
entschieden hat (vgl. § 5 Abs. 3 VwGO). Zwar haben die Beteiligten ihr Einverständnis
mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden, der zudem zugleich als
Berichterstatter tätig war, gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO erklärt; in einem
solchen Fall ist der Vorsitzende bzw. Berichterstatter, wie sich schon aus dem
Wort „kann“ in § 87 a Abs. 2 VwGO ergibt, aber nicht verpflichtet, anstelle der
Kammer oder des Senats zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl
(2000), § 87 a, Rdn. 8, m. w. N.). Macht er von seiner Entscheidungsbefugnis
keinen Gebrauch, entscheidet die Kammer in der nach § 5 Abs. 3 VwGO
vorgesehenen Besetzung. insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von
derjenigen, die in einem Fall der Übertragung des Rechtsstreits auf ein
Mitglied der Kammer als Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 VwGO gegeben ist. In
diesem Fall ist allein der Einzelrichter entscheidungsbefugt, eine
Entscheidungsbefugnis der Kammer erst wieder gegeben, wenn eine Rückübertragung
des Rechtsstreits auf diese nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfolgte.
Der Senat vermag
dem angefochtenen Beschluss jedoch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu folgen.
Denn es ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zu erwarten, dass die
Vollstreckungsschuldnerin künftig den Urteilen des Senats vom 24. März 1999
(weiterhin) zuwiderhandeln wird. Zwar ist nach ihren glaubhaften Darlegungen
nicht anzunehmen, dass auf ihre Veranlassung hin Übungsflüge über den
Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen durchgeführt werden;
Gegenteiliges tragen auch die Vollstreckungsgläubigerinnen nicht vor. Ebenso
wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass in den betreffenden Gemeindegebieten
Truppenübungen stattfinden. Allerdings haben die Vollstreckungsgläubigerinnen
dargelegt, ohne dass die Vollstreckungsschuldnerin diesem Vorbringen
entgegengetreten ist, dass Teile der Gemeindegebiete der
Vollstreckungsgläubigerinnen weiterhin in einer Weise durch Schilder
gekennzeichnet werden, die darauf schließen lässt, dass die
Vollstreckungsschuldnerin das Gelände noch als Truppenübungsplatz in Anspruch
nimmt.
Entgegen der
Annahme des Verwaltungsgerichts und der Rechtsansicht der
Vollstreckungsschuldnerin ist jedenfalls das Aufstellen von Schildern mit der
Bezeichnung „Truppenübungsplatzkommandantur Wittstock - Der Kommandant -
Warnung vor den Gefahren auf dem TrÜbPl Wittstock“ nicht mit den Sachaussprüchen
in den Urteilen des Senats vom 24.
März 1999 zu vereinbaren; insbesondere ist hierin keine Nutzung zu sehen, die
von den Aussprüchen der genannten Urteile nicht erfasst ist. Denn mit solchen
Schildern schreibt die Vollstreckungsschuldnerin dem fraglichen Bereich -
weiterhin - ausdrücklich diejenige Nutzung zu, die sie auf den Gemeindegebieten
der Vollstreckungsgläubigerinnen zu unterlassen verurteilt ist.
Den Urteilen des
Senats vom 24. März 1999 würde auch durch das Aufstellen oder Stehenlassen von
Schildern zuwidergehandelt, auf denen die auf den Gemeindegebieten der
Vollstreckungsgläubigerinnen befindlichen Teile des früheren
Truppenübungsplatzes als solche als „Militärischer Sicherheitsbereich“
bezeichnet werden. Eine Beschilderung dieses Inhalts wäre mit den Urteilen nur
in dem Maße vereinbar, in dem sie dazu zu dienen vermag, wegen konkreter, sich
aus der früheren militärischen Nutzung ergebender Gefahren eine ihrer eigenen
Auffassung nach für den jeweils betroffenen Bereich obliegenden
Verkehrssicherungspflicht der Vollstreckungsschuldnerin Genüge zu tun. Den auf
den Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen liegenden Teil des
früheren Truppenübungsplatzes darüber hinaus
auf Schildern als „Militärischer Sicherheitsbereich“ zu bezeichnen, würde den
Urteilen vom 24. März 1999 zuwiderlaufen. Sie wäre der darin untersagten Art
von militärischen Nutzungen zuzurechnen. Zwar trifft es zu, dass die der
begehrten Vollstreckungshandlung zugrunde liegenden rechtskräftigen Urteile des
Senats ihrem Wortlaut zufolge nicht schlechthin jede militärische Nutzung,
sondern nur eine Nutzung „als Truppenübungsplatz oder Luft-Boden-Schießplatz,
einschließlich einer dieser Nutzung dienenden Durchführung von Tiefflügen“
untersagen. Den von dem Senat als sachdienlich angeregten (§ 86 Abs. 3 VwGO)
Klageanträgen und dessen Entscheidungen sowie den Urteilen des
Revisionsgerichts (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2000, verkündet am 14.
Dezember 2000 - 4 C 12.99 und 4 C 13.99 -) können keine Anhaltspunkte dafür
entnommen werden, ihnen habe die Vorstellung zugrunde gelegen, bei der Fassung
der Sachaussprüche zwischen unterschiedlichen Arten militärischer Nutzungen aus
Rechtsgründen zu differenzieren; vielmehr hatte nach den tatsächlichen
Gegebenheiten lediglich eine Nutzung des Geländes des früheren
Truppenübungsplatzes Wittstock zu den genannten Zwecken (Truppenübungsplatz,
Luft-Boden-Schießplatz) in Rede gestanden. Die Anträge der Beteiligten jener
Verfahren und die diesen entsprechenden Sachaussprüche in den Urteilen des
Senats greifen lediglich diese tatsächlich vorgegebene, seinerzeit allein in
Rede stehende Nutzung dieses Geländes auf. Die Kennzeichnung der fraglichen
Teile der Gemeindegebiete der Vollstreckungsgläubigerinnen als „Militärischer
Sicherheitsbereich“ war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem
erkennenden Senat am 24. März 1999 Teil eben dieser Nutzung, ist daher von den
Sachaussprüchen der Urteile auch ohne weiteres mit erfasst.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Urteile des Senats vom 24. März 1999 keine Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin zur Räumung beinhalten. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss (Seite 3 des Abdrucks), denen zufolge sich aus den in Rede stehenden Urteilen des Senats keine Verpflichtung für die Vollstreckungsschuldnerin ergebe, bestimmte Flächen herauszugeben bzw. einer Nutzung durch die Antragstellerinnen zur Verfügung zu stellen, nimmt der Senat Bezug.
Hinsichtlich der Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes hat der
Senat die Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten berücksichtigt. ebenso
den Umstand, dass eine Ausschöpfung des in § 172 Satz 1 VwGO vorgesehenen
Betrages die Leistungsfähigkeit der Vollstreckungsschuldnerin nicht
beeinträchtigen kann.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für
das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. l, § 13 Abs. 1 Satz l GKG. Die
Bedeutung des Verfahrens für die Vollstreckungsgläubigerinnen bemisst der Senat
im Wege der gebotenen Pauschalierung und Schematisierung mit einem Viertel des
Hauptsachestreitwerts, somit mit einem Betrag von 50.000,00 DM je Gemeinde.
Dieser Beschluss
ist unanfechtbar (§ l52 Abs. 1 VwGO).