Pressemitteilung
Informationen zu den Prozessen gegen den
Bombenabwurfplatz Wittstock
Stand: 08. September 2003
Die folgenden Informationen zur Vorgeschichte und zum Hintergrund der Prozesse
gegen den Bombenabwurfplatz Wittstock sollen verdeutlichen, aus welchen Gründen
die betroffenen Menschen der Region und wir als ihre Prozessbevollmächtigten
keinen Anlass und keine Bereitschaft haben, die Inbetriebnahme des Bombodroms
durch die Bundeswehr hinzunehmen und weshalb wir daher entschlossen sind,
dieses Vorhaben der Bundeswehr mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu
verhindern.
Die unerträglichen Lärmbelastungen der Tiefflüge, die vorhersehbare Ruinierung
der nach der Wende erfolgreich aufgebauten touristischen Einrichtungen, die
absehbare Schädigung der nach europäischem Recht geschützten Habitate und
Vogelschutzgebiete und insbesondere der autokratische und unzumutbare Umgang
des Militärs mit den Menschen dieser Region zeigen, dass ein Kompromiss
zwischen den Plänen der Bundeswehr und den legitimen Rechten der Betroffenen
ausgeschlossen ist.
1. Der Truppenübungs- und Bombenabwurfplatz in der Wittstock-Ruppiner Heide
wurde nach dem 2. Weltkrieg von den sowjetischen Streitkräften in einem Gebiet
angelegt, das wegen seiner landschaftlichen Schönheit bis zur deutschen
Spaltung weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt war und insbesondere
von Berlinern als Naherholungsgebiet genutzt wurde. Nach 1949 haben die
sowjetischen Streitkräfte den militärischen Übungsplatz sukzessive ausgebaut
bis er in den 80iger Jahre über 140 km2 umfasste. Es fanden hier insbesondere
Truppenübungen statt sowie Bombenabwürfe durch tief fliegende Militärmaschinen.
Das „Stalin-Bombodrom“ war bei den Menschen der Region verhasst und die
politischen Verhältnisse ließen keinerlei Widerstand zu.
Nach der Wende fiel das Gelände aufgrund des Einigungsvertrages an den Bund und
wurde vom Bundesvermögensamt verwaltet. Die Bundeswehr hatte frühzeitig
erklärt, dass sie an der Fortsetzung einer militärischen Nutzung nicht
interessiert ist; das Gelände war also nach Abzug der sowjetischen Truppen im
Jahre 1993 aufgrund des Zwei-plus-Vier-Vertrages den ursprünglichen
öffentlichen Eigentümern (insbesondere den Gemeinden) zurückzugeben.
Ende 1993 erklärte die Bundeswehr jedoch überraschend, dass sie das Gelände
nunmehr doch militärisch nutzen wolle, und zwar als Truppenübungsplatz, als
Schießplatz sowie insbesondere als Übungsplatz für Bombenabwürfe (durch
simulierte Bomben) von tief fliegenden Militärmaschinen. Wenn man die seither
zunehmende Empörung der Menschen vor Ort verstehen will, muss man wissen, dass
die Bundeswehr diesen Wortbruch dadurch vollzog, dass sie einige Tage vor
Weihnachten 1993 das inzwischen von den Gemeinden praktisch wieder übernommene,
benutzte und beplante Gelände einfach absperrte, Sperrschranken errichtete und
in großer Zahl Schilder aufstellte, die der Bevölkerung das Betreten des
Geländes unter Androhung von Waffengebrauch untersagte. Die Absperrungen gingen
teilweise weit über die Grenzen des seinerzeitigen „Stalin-Bombodroms“ hinaus.
In der Gemeinde Schweinrich z. B. wurde mehr als die Hälfte des Gemeindegebiets
bis an die Grenzen des Ortskerns abgesperrt.
Die Bürgermeister aller betroffenen Gemeinden, deren Gemeindegebiet von dem
Bombenabwurfplatz beansprucht wurde, schlossen sich darauf hin zusammen und wurden
von dem Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin, von weiteren umliegenden
Städten wie etwa Rheinsberg sowie insbesondere von der neu gegründeten
Bürgerinitiative „Freie Heide“ unterstützt.
Die Bürgermeister, der Landrat und die Bürgerinitiative baten uns daraufhin um
ihre Prozessvertretung. Bereits im Januar 1994 erklärten wir dann gemeinsam auf
einer Pressekonferenz in dem damals noch offenen und nicht-umgebauten Berliner
Reichstag, dass wir – insbesondere angesichts des unzumutbaren Umgangs der Bundeswehr
mit den Menschen vor Ort – keinen Anlass hätten, die Inbetriebnahme des
Bombodroms hinzunehmen. Wir haben dann am 27. Januar 1994 gegen das Bombodrom
Klage erhoben, die in allen drei Instanzen erfolgreich war. Das
Oberverwaltungsgericht tenorierte die Verurteilung der Bundesrepublik
antragsgemäß dahingehend, dass der Bundeswehr die Nutzung des Geländes „als
Truppenübungsplatz oder Luft-Boden-Schießplatz, einschließlich einer dieser
Nutzung dienenden Durchführung von Tiefflügen“ untersagt wird; die Kosten
wurden in vollem Umfang der beklagten Bundesrepublik auferlegt. Das
Bundesverwaltungsgericht hat durch die Urteile vom 14. Dezember 2000 die
hiergegen gerichtete Revision der Bundesrepublik zurückgewiesen (OVG 3 A 60.97
sowie BVerwG 4 C 13.99).
2. Es war für die Kläger sogar noch erforderlich, gegen die Bundeswehr ein Zwangsvollstreckungsverfahren
durchzuführen, da zwar weiterhin keine Truppenübungen und Tiefflüge stattfanden
– das Gelände wird praktisch seit Anfang der 90iger Jahre nicht mehr genutzt –
die Bundeswehr aber weiterhin das Gelände absperrte und als
"Truppenübungsplatz" und „militärischen Sicherheitsbereich“
bezeichnete. Auf Antrag der Gemeinden wurde daher der Bundesrepublik durch
rechtskräftigen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg
vom 20. Dezember 2001 „für den Fall, dass sie ihren Unterlassungspflichten aus
den rechtskräftigen Urteilen des Senats vom 24. März 1999 ... weiterhin
zuwiderhandelt, ein Zwangsgeld“ angedroht (Az: 3 E 87/01).
3. Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich in seinen Urteilen vom 14.
Dezember 2000 insbesondere unserer Argumentation an, dass die Inbetriebnahme
des Bombodroms aus zwei Gründen rechtswidrig ist: Zum Einen wurde das
verfassungsrechtliche Abwägungsgebot der Gemeinden bei der Entscheidung der
Bundeswehr im Jahre 1993 nicht gewahrt, zum Anderen verletzte die Bundeswehr
bereits durch die Platzabsperrung die Eigentumsrechte der Gemeinde insbesondere
hinsichtlich der seit jeher in Gemeindebesitz befindlichen und neu beplanten Wegen
und Straßen durch das Bombodrom. Die Bundeswehr hat nach dieser Entscheidung
ein so genanntes Anhörungsverfahren durchgeführt. Die Kläger und die weiteren
Gemeinden haben sich an diesem Verfahren beteiligt und bereits frühzeitig
deutlich gemacht, dass das Anhörungsverfahren nicht dem rechtsstaatlichen
Mindeststandard entspricht. Insbesondere wurde gar nicht deutlich gemacht, wie
die geplante Nutzung konkret aussehen soll und wie infolgedessen die Belastung
der Gemeinden und ihrer Bürger ist.
Während des Anhörungsverfahrens wurde insbesondere deutlich, dass die
Bundeswehr gegenüber der sowjetischen Nutzung ein vollständig geändertes
Nutzungskonzept für die Tiefflüge plante. Zwar liegen die Bombenabwurfziele
– wie zu sowjetischen Zeiten – im südöstlichen Bereich des Bombodroms; während
jedoch die sowjetischen Kampfmaschinen diese Bombenabwurfziele in
Ost-West-Richtung anflogen und mithin den nördlichen Bereich des Bombodroms und
seine Umgebung überhaupt nicht überflogen, plant die Bundeswehr einen An- und Abflug
vom nördlichen Ende des Bombodroms und mithin einen Überflug der Gemeinden im
gesamten nördlichen Umkreis. Diese Gemeinden waren zu sowjetischen Zeiten durch
Tiefflüge nicht belastet.
Trotz dieser grundlegenden Änderung der Flugkonzeption hat die Bundeswehr
besonders betroffene Gemeinden, die unmittelbar an die nördliche Grenze des
Bombodroms angrenzen, entgegen den zwingenden Vorgaben des
Bundesverwaltungsgerichts überhaupt nicht angehört; es handelt sich
insbesondere um die Gemeinden Lärz und Rechlin. Die Gemeinde Lärz grenzt etwa
1,5 km an das Bombodrom an und ist nicht durch besondere Überflughöhen
geschützt, so dass die Überflüge in diesem Bereich bis zu einer Höhe von 150 m
stattfinden können. Diese Gemeinden waren trotz mehrfacher Bitten und Aufforderungen
von der Anhörung mit sachlich abwegigen Argument ausgeschlossen worden, ihre
Lärmbelastungen seien unerheblich, weil sie jenseits der Landesgrenze zu
Mecklenburg-Vorpommern liegen.
Die betroffenen Gemeinden haben dann beschlossen, gegen eine eventuelle
positive Entscheidung der Bundeswehr zur Weiternutzung des Platzes gerichtlich
vorzugehen; die Gemeinden werden hierbei praktisch von der gesamten Region -
darunter auch mehreren hundert Unternehmen, die nach 1990 in der Region
Kliniken, touristische Einrichtungen etc. aufgebaut hatten - unterstützt.
4. Die Bundeswehr hat sich über die Betroffenen hinweggesetzt, ohne ihre
Argumente auch nur im Einzelnen zu prüfen und zu würdigen. Sie hat am 09. Juli
2003 einen erneuten Nutzungsbescheid erlassen, gegen den wir umgehend Klage
erhoben haben. Die Klagen haben aufschiebende Wirkung, da die Bundeswehr es
versäumt hatte, in ihrem Zulassungsbescheid vom 09. Juli 2003 die sofortige
Vollziehung anzuordnen. Diese Anordnung geschah dann mit einiger Verspätung und
der Ankündigung, zehn Tage nach der Vollziehungsanordnung mit den Tiefflügen
und Bombenabwürfen zu beginnen. Hiergegen sind wir für die Betroffenen durch
Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Potsdam am
11. August 2003 vorgegangen. Nach einem ersten Erörterungstermin am 14. August
2003 vor dem Verwaltungsgericht Potsdam hat das Verteidigungsministerium auf
Bitte des Gerichts erklärt, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in den
einstweiligen Verfahren abwarten zu wollen; das Gericht sagte zu, diese
Entscheidung bis zum 30. September 2003 zu treffen. Ein zunächst avisierter
Übungsbeginn am 18. August 2003 wurde dadurch verhindert.
Es wurden insgesamt 12 Klagen und verschiedene Anordnungsanträge erhoben:
a) Kläger sind zunächst diejenigen Gemeinden, die bereits in den letzten
10 Jahren erfolgreich vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Nutzung des
Bombenabwurfplatzes verhindert haben. Diese Gemeinden hatten seit 1994 gegen
die geplante Inbetriebnahme geklagt und in allen drei Instanzen gewonnen;
zuletzt war der Bundeswehr durch rechtskräftiges Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 eine Nutzung einschließlich der
hiermit zusammenhängenden Tiefflüge untersagt worden. Die klagenden Gemeinden
gehören insbesondere den Ämtern Rheinsberg und Wittstock-Land an; das
Gemeindegebiet dieser Kläger wird durch die Beanspruchung des
Bombenabwurfplatzes in großem Umfang (bei Schweinrich über 50%) beansprucht und
abgesperrt. Darüber hinaus wurden die Klagen erhoben für Anliegergemeinden im
südlichen Teil von Mecklenburg-Vorpommern (insbesondere die Gemeinde Rechlin am
Müritzsee), deren Ortsgebiet in der Tiefflugschneise des Bombenabwurfplatzes
liegen.
b) Eine zweite Gruppe von Klägern besteht aus besonders betroffenen touristischen
Unternehmen im Bereich der Tiefflugschneise des Bombenabwurfplatzes. Diese
Unternehmen haben sich dort in besonders ruhigen und schutzwürdigen
Erholungsgebieten angesiedelt und sind hierzu auch in den 90iger Jahre
gefördert worden. Tieffluglärm würde den weiteren Betrieb dieser Unternehmen
gefährden oder sogar verunmöglichen.
c) Kläger sind darüber hinaus die anerkannten Naturschutzverbände BUND
und NABU in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Diese Klagen sind deshalb
besonders erfolgversprechend, weil in den letzten drei Jahren aufgrund der
zwingenden Vorgaben des Rechts der Europäischen Gemeinschaften „Habitate“ (also
durch Recht der Europäischen Gemeinschaften geschützte Naturschutzgebiete) im
Auswirkungsbereich des Bombenabwurfplatzes festgesetzt worden sind. Über 80%
des gesamten Bombenabwurfplatzes sind als gemeinschaftsrechtliches Habitat
wegen der besonders schutzwürdigen Vegetation festgesetzt. Darüber hinaus sind
von den Truppenübungen und insbesondere den Tiefflügen insgesamt über 10
kleinere und größere Habitate betroffen, die insbesondere dem Schutz der dort
befindlichen vom Aussterben bedrohten Vögel dienen. In besonderem Maße gilt
dies für den Müritz-Nationalpark, der in seinem südlichen Teil nach
europäischem Recht ein besonders qualifiziertes Vogelschutzgebiet darstellt.
Die anerkannten Naturschutzverbände machen ihre Rechte insbesondere in der seit
dem Jahre 2002 durch das Bundesnaturschutzgesetz eingeräumten Verbandsklage
geltend, die gerade zum Schutz der europarechtlichen Habitate durch
gerichtliche Überprüfungen geschaffen wurde.
5. Die rechtlichen Argumente gegen die Inbetriebnahme des Bombodroms wiegen
schwer:
a) Die inzwischen bekannt gewordenen Zahlen über Flugbewegungen und Flughöhe
der Tiefflieger übertreffen die bisherigen Befürchtungen zu den Lärmbelastungen
der Menschen der Region. Entgegen den öffentlichen Erklärungen der Bundeswehr
sieht der Zulassungsbescheid vor, dass auch über bewohnten Gebieten Flughöhen
von bis zu 150 m zulässig sind; die von der Bundeswehr angegebenen
Überflughöhen von 450 m außerhalb des Bombodroms betreffen nur einige
ausgewählte Orte.
Der Überflug eines Tornado mit 450 m bewirkt eine Lärmbelastung von 102 dB(A).
Die Wirkung auf den Menschen beträgt mithin ca. das acht- bis zehnfache der
Lärmbelastung, die ein in nächster Nähe vorbeifahrender LKW oder
Hochgeschwindigkeitszug verursacht.
Völlig unakzeptabel ist in diesem Zusammenhang, dass das von der Bundeswehr
vorgelegte Lärmgutachten die entscheidenden Tiefflugbelastungen der Umgebungsbevölkerung
überhaupt nicht betrachtet hat; die von der Bundeswehr genannten Zahlen
basieren auf der Betrachtung von Flugbewegungen und Flugrouten innerhalb des
Bombodroms selbst.
Wir haben daher dem Verwaltungsgericht Potsdam ein umfangreiches Lärmgutachten
vorgelegt. Es wurde im Auftrag der klagenden Gemeinden erstellt von der Firma
BeSB GmbH (Dr. Schaffert) in Berlin. Herr Dr. Schaffert ist einer der in
Deutschland führenden Gutachter für die Berechnung von Lärmbelastungen und ist
überwiegend tätig für Ministerien, das Umweltbundesamt und Flughafenbetreiber.
Es handelt sich um das erste wissenschaftliche Gutachten in welchem die
Lärmauswirkungen der Tiefflüge des Bombodroms Wittstock auf die
Umgebungsbevölkerung geprüft wurde. Aus dem Gutachten ergibt sich Folgendes:
Die Gutachter haben in Computersimulationen die Lärmauswirkungen für zwei
bewohnte Gebiete im Norden des Bombodroms berechnet, und zwar für die bewohnten
Gebiete in der Gemeinde Lärz (Ortsteil Ichlim) und in Flecken Zechlin. Die Berechnungen
wurden für alle auf dem Bombodrom zugelassenen Jagdbomber vorgenommen, also
insbesondere für den Tornado der Bundeswehr sowie die Jagdbomber Phantom F4F
und Thunderbolt. Es ergibt sich bei vorsichtiger Abschätzung für Ichlim (Lärz)
bereits hinsichtlich des Durchschnittswertes (äquivalenter Dauerschallpegel)
Werte, die die Grenze der zulässigen Gesundheitsbeeinträchtigung übersteigen.
Hieraus folgt, dass das Bombodrom in dem von der Bundeswehr vorgesehenen
Nutzungskonzept unabhängig von den Fehlern der Anhörung und Abwägung der
Gemeinden unzulässig ist; nach der Rechtsprechung darf die Grenze zur
Gesundheitsgefährdung auf keinen Fall überschritten werden.
Noch schwerwiegender sind die so genannten Einzelereignisse, die bei Ichlim 109
dB(A) (Überflughöhe 150 m) und im Ortskern Flecken Zechlin 97 dB(A)
(Überflughöhe 450 m) betragen. Diese Einzelereignisse, die bei Tag und bei
Nacht zugelassen sind, sind so hoch, dass sie „die in der Literatur angegebenen
Grenzwerte für das Auftreten von Gehörschäden nur um wenige dB unterschreiten“
(Gutachten, Blatt 3). Bei Ichlim und Flecken Zechlin überschreiten sie wegen
der vorgesehenen Häufigkeit bei Tag und Nacht die Grenze der zulässigen
Gesundheitsbeeinträchtigung.
Das Gutachten kritisiert in einer ungewöhnlich scharfen Form die Methode und
die Immissionsberechnungen, die die Bundeswehr zur Rechtfertigung des
Bombodroms herangezogen hat. Besonders schwerwiegend ist, dass die Berechnungen
der Bundeswehr nur die Tiefflüge in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bombenabwurf
betrachtet hat, nicht jedoch die An- und Abflüge zu dem Bombodrom; die
Bundeswehr hat diesen Mangel inzwischen auch offen eingeräumt. Da wir praktisch
täglich in Verfahren des Luftverkehrsrechts im Zusammenhang mit Flughäfen und
Tieffliegern befasst sind und den hohen Standard wissenschaftlicher Begutachten
in diesen Verfahren auf allen Seiten kennen, bewerten wir diesen
grundsätzlichen methodischen Fehler der Begutachtung der Bundeswehr als
unverantwortlich; wir haben kein Verständnis dafür, dass die Bundeswehr die
Tiefflüge bis zu 150 m Höhe im Bereich der An- und Abflugschneisen in ihre
Berechnungen nicht einbezieht und den Anschein erweckt, dass der Tieffluglärm
des Bombodroms nur geringfügige Lärmbelastungen für die Region verursacht.
Ebenso unverantwortlich ist aus unserer Sicht, dass die Berechnungen der
Bundeswehr nur Durchschnittswerte enthalten (äquivalenter Dauerschallpegel) und
die Einzelereignisse (insbesondere Tiefflüge über bewohnten Gebieten in 150 m
Höhe) nicht in die Berechnungen einbezieht, obwohl dies wissenschaftlich
unbedingt erforderlich ist und im vorliegenden Fall zu gesundheitsgefährdenden
Lärmbelastungen führt.
b) Ergänzend zu den bisherigen Argumenten ergibt sich die Unzulässigkeit der
militärischen Nutzung nunmehr auch aus Gemeinschaftsrecht: Der Platz ist mit
einer Gesamtfläche von 9.348 ha nunmehr als „Wittstock-Ruppiner Heide“ mit
wichtigen Lebensraumtypen als FFH-Gebiet gemeldet (EU – Nr. DE 2941/302) und
untersteht damit dem Schutz des Europäischen Gemeinschaftsrechts aufgrund der
FFH-Richtlinie sowie der §§ 32 ff. BNatSchG. Eine militärische Nutzung ist
hiernach definitiv ausgeschlossen; sie lässt sich auch nicht durch das positive
Ergebnis einer Verträglichkeitsprüfung herstellen. In den bisherigen
Gerichtsverfahren hat dieses – für die Bundeswehr unüberwindbare –
Rechtsproblem noch keine Rolle gespielt, da die Meldung und Veröffentlichung
des Habitats erst am 13. März 2002 erfolgte (Amtsblatt für Brandenburg,
gemeinsames Ministerialblatt für das Land Brandenburg 2002, 277). Die
Verletzung des FFH-Gebietes kann – unabhängig von der Rechtsverletzung der
Gemeinden – durch die nunmehr bundesweit eingeführte Vereinsklage geltend
gemacht werden. Wir sind inzwischen von mehreren klagebefugten
brandenburgischen Naturschutzverbänden beauftragt worden, wegen der Verletzung
des FFH-Gebietes ebenfalls Klage zu erheben.
Darüber hinaus würden mehr als zehn weitere FFH-Gebiete, die ausnahmslos nach
europäischem Recht geschützt sind, sowohl in Brandenburg als auch in
Mecklenburg-Vorpommern schwerwiegend beeinträchtigt. Insbesondere gilt dies für
die FFH-Vogelschutzgebiete im südlichen Müritz-Nationalpark und die dort
geschützten Adlerpopulationen, die durch die Anflugschneise der Tiefflieger
schwerwiegend betroffen sind.
Wir haben aus diesen Gründen die hierfür zuständigen Umweltministerien der
Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern aufgefordert, der Bundesregierung
zu untersagen, das Bombodrom in Betrieb zu nehmen und insbesondere Tiefflüge
durchzuführen.
Dr. Reiner Geulen/Dr. Remo Klinger
(Rechtsanwälte)