Land
Brandenburg, Land Berlin 14. November 2001
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Gemeinsame Landesplanungsabteilung –
Lindenstraße
34 a
14467
Potsdam
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Ihnen ja bekannt ist, vertrete ich in dieser Sache seit
dem Jahre 1993 die Anliegergemeinden, auf deren Flächen der frühere sowjetische
Bombenabwurfplatz Wittstock lag; darüber hinaus vertrete ich den Landkreis
Ostprignitz-Ruppin.
Für die Anliegergemeinden sowie für den Landkreis
Ostprignitz-Ruppin hatte ich nach 1993 Klage vor dem Verwaltungsgericht Potsdam
gegen die beabsichtigte Nutzung des früheren sowjetischen Bombenabwurfplatzes
Wittstock erhoben. Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte uns durch Urteil vom
24. März 1999 im Wesentlichen Recht gegeben und die Klage lediglich
in einem geringen Umfang abgewiesen. Auf die Berufung des beklagten
Bundesministeriums der Verteidigung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land
Brandenburg den Klagen der von mir vertretenen Mandanten durch Urteil vom
24. März 1999 (3 A 60/97) in vollem Umfang stattgegeben und
der Bundeswehr jegliche militärische Nutzung des Geländes untersagt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Urteil vom
14. Dezember 2000 die hiergegen gerichteten Revisionen des
Bundesverteidigungsministeriums zurückgewiesen. Die Urteile sind rechtskräftig.
Das Oberverwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht hatten die
Entscheidungen exemplarisch in den beiden Verfahren der Gemeinden Schweinrich
und Rossow gefällt; die übrigen Verfahren sind vor dem Oberverwaltungsgericht
noch anhängig. Das Oberverwaltungsgericht hat aber bereits mitgeteilt, dass es
die Rechtslage in den Verfahren der anderen Gemeinden genauso beurteilt; der
3. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat durch Beschlüsse vom
23. Mai 2001 dem Verteidigungsministerium nahe gelegt, die
rechtskräftigen Urteile aus den Verfahren Schweinrich und Rossow auch in den
anderen anhängigen Verfahren uneingeschränkt unter Übernahme der vollen
Kostentragungspflicht anzuerkennen (Aktenzeichen der Verfahren Dorf Zechlin
3 A 54/97, Flecken Zechlin 3 A 58/97, Gadow
3 A 59/97).
Ich beantrage für die von mir vertretenen Mandanten,
das Anhörungsverfahren
einzustellen.
Das Verfahren leidet unter schwer wiegenden Verfahrensmängeln
und kann aus diesem Grund nicht fortgeführt werden. Dies ergibt sich aus
Folgendem:
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem zitierten Urteil vom 14. Dezember 2000 ausgeführt, dass eine militärische Nutzung des Geländes für das Bundesministerium der Verteidigung nur unter zwei Voraussetzungen möglich wäre. Die erste Voraussetzung ist, dass der Bund an den von ihm zur Nutzung vorgesehenen Flächen Eigentum erworben hat, das gemäß Art. 21 I 1 Einigungsvertrag als Verwaltungsvermögen auf den Bund übergegangen ist (siehe hierzu den umfassenden Abdruck in DVBl. 2001, 395 (396). In diesen Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht eine Funktionsnachfolge für solche Grundstücke anerkannt, die während des Bestandes der DDR im Wesentlichen durch Enteignung (bzw. durch Kauf) staatlichem Vermögen der DDR zugeordnet wurden. Voraussetzung für dieses Kriterium ist also, dass der Bund darlegt, dass er an dem fraglichen Gelände Eigentum erworben hat.
Das
Bundesverwaltungsgericht hat als Revisionsgericht die Frage, in welchem Umfang
diese Voraussetzung vorliegt, nicht weiter geprüft. Hieraus folgt, dass eine
Nutzung des Bundesministeriums der Verteidigung zunächst voraussetzt, dass
dieses für die konkreten Grundstücke darlegt, dass diese entweder im Wege der
Enteignung oder des Kaufes bis 1990 erworben wurden. Soweit dies nicht der Fall
ist, kommt allenfalls in Frage, dass der Bund diese Grundstücke im Wege eines
Bezeichnungsverfahrens nach § 1 des Landbeschaffungsgesetzes, das für
diese Liegenschaften seit dem 03. Oktober 1990 anwendbar ist,
erworben hat. Die Ausführungen in dem Revisionsurteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 sind insofern
eindeutig (siehe insbesondere DVBl. 2001, 395 (396 ff.)).
Diese
Voraussetzung ist gegenwärtig offensichtlich nicht gegeben. Der Bund hat zu
keinem Zeitpunkt – insbesondere nicht in den nunmehr vorgelegten
Anhörungsunterlagen – dargelegt, welche Grundstücke ihm auf dem Gemeindegebiet
meiner Mandantinnen gehören. Offenkundig ist aufgrund der tatsächlichen
Feststellungen der Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg
vom 24. März 1999 sowie der im Übrigen von Amtswegen bekannten
Imformationen, dass jedenfalls wesentliche Teile dieser Fläche den von mir
vertretenen Gemeinden gehören, so dass eine Nutzung ohne ein Verfahren der
Landbeschaffung ohnehin nicht in Frage kommt. In besonderem Umfang gilt dies
für diejenigen Grundstücke (insbesondere Straßen und Wege), die den
Gebietsgemeinden nach 1990 durch Bescheide nach dem Vermögenszuordnungsgesetz
zugeordnet wurden. Soweit insofern Aufhebungsbescheide ergangen sind, sind
diese allesamt beklagt worden. Die Klagen haben aufschiebende Wirkung
(§ 80 I VwGO); eine sofortige Vollziehung ist nicht angeordnet
worden und wäre auch gar nicht zulässig. Im Übrigen werden diese Klagen auch
erfolgreich sein, da die Aufhebungsbescheide bereits wegen Fristversäumnisses –
sie wurden im Wesentlichen erst mehrere Jahre nach Vorliegen der fraglichen
Informationen bei dem Bundesministerium der Verteidigung verfügt – bereits aus
formellen Gründen rechtswidrig sind.
2. Das
Verfahren ist ferner einzustellen, weil die von dem Bundesministerium der
Verteidigung vorgelegten Unterlagen in jeder Weise unzureichend sind und den
Mindeststandard der zu einer rechtsstaatlichen Anhörung erforderlichen
Information über den Anhörungsgegenstand nicht erfüllen. Dies ergibt sich aus
Folgendem:
Nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der ganz herrschenden
Literaturmeinung ist das Anhörungsrecht des Art. 103 II GG zum
Schutz der verfassungsmäßigen Grundrechte auch in jedem behördlichen
Anhörungsverfahren zu wahren (seit E 74, 112; siehe etwa auch Kopp, VwVfG
§ 28 Rn. 2 und Stelkens, VwVfG § 28 Rn. 1 ff. m.w.N.).
Entscheidend ist hierbei, dass dem Betroffenen im Einzelnen dargelegt wird, zu
welchen Fragen er angehört wird und welches konkrete Vorhaben, das
möglicherweise in seine Grundrechte eingreift, realisiert werden soll. Von
besonderer Bedeutung ist nach der zitierten Rechtsprechung hierbei, in welchem
Maß das Vorhaben in die Grundrechte des Betroffenen eingreift. Es liegt nach
dem rechtskräftigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
14. Dezember 2000 auf der Hand, dass angesichts der Eingriffe in das
fiskalische Grundrecht der Gemeinden aus Art. 14 I GG und in die
grundrechtlich geschützte Planungshoheit der Gemeinden
(Art. 28 I GG) von einer ernsthaften Anhörung nur die Rede sein
kann, wenn die konkreten Maßnahmen exakt beschrieben werden, um dem Betroffenen
eine Stellungnahme zu ermöglichen.
Diese
Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor:
Hinsichtlich
der beanspruchten Grundstücksflächen fehlt bereits eine hinreichend bestimmte
Beschreibung der Grenzen des geplanten Vorhabens. Es bleibt festzuhalten, dass
für den Bereich mehrerer Gemeinden das Vorhaben bereits deswegen von vornherein
rechtswidrig ist, weil es auf Grundstücken realisiert werden soll, die dem
Bundesministerium der Verteidigung nicht gehören und für die auch ein
bezeichnetes Verfahren nach dem Landbeschaffungsgesetz nicht abgeschlossen,
nicht einmal eingeleitet worden ist. Darüber hinaus wurde das Gelände auch über
die Grenzen der seinerzeitigen sowjetischen Nutzung hinaus ausgedehnt; für
diese – offensichtlich rechtswidrigen – Maßnahmen ist ein Nutzungsrecht des
Bundesministeriums der Verteidigung ohnehin nicht begründbar.
Darüber
hinaus geben die vorgelegten Unterlagen – insbesondere das so genannte
„Betriebskonzept“ – keine konkreten Auskünfte über die wirklich geplante
Nutzung. Es ist hierzu festzuhalten, dass die Bundeswehr seit 1993 immer neue Nutzungskonzepte
vorgestellt hat, die gleichermaßen unverbindlich wie kurzlebig waren. Die
Einzelheiten werden wir in einer schriftlichen Stellungnahme darlegen. Ferner
geht es bei einer Anhörung auch nicht um ein „Betriebskonzept“, sondern
vielmehr um konkrete, beabsichtigte, Nutzungsregelungen, die für die
Betreiberin eines solchen militärischen Vorhabens und die betroffenen Dritten
gleichermaßen verbindlich sind und nur in dieser Form auch Gegenstand eines
gerichtlichen Verfahrens sein können. Unverbindlich und unklar sind
insbesondere die Regelungen über die Flugrouten und die Flugzeiten.
Von
besonderer Bedeutung ist hierbei, dass die Unterlagen keine validen Angaben zu
den zu erwartenden Lärmimmissionen haben. Die vorgelegten Unterlagen geben
keine Auskunft über die Belastungen der Bevölkerung in den Gemeindegebieten
meiner Mandantinnen. Die Unterlagen lassen daher keine konkreten Informationen
erkennen zu der Frage der Grenzwertüberschreitungen sowie zu der für die
Gemeinden bedeutsamen Fragen des Bestandsschutzes der planungsrechtlich
festgesetzten Wohngebiete.
Nach
alledem ist das Anhörungsverfahren einzustellen.
3. Es
sei schließlich darauf hingewiesen, dass die so genannten Anhörungsunterlagen
erst Anfang Oktober bei den Gemeinden eingegangen sind. Ein sinnvolles
Anhörungsverfahren setzt auch voraus, dass Betroffene hinreichend Zeit haben,
die Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen, im Einzelnen zu überprüfen und
gegebenenfalls durch Sachbeistände (insbesondere Fachleute auf dem Gebiet der
Akustik) sich selbst über die grundrechtsrelevanten Auswirkungen des
beabsichtigten Vorhabens zu informieren. Wir werden in dieser Sache daher
nochmals ausführlich schriftsätzlich vortragen. Ich beantrage,
die Frist
zur Stellungnahme auf den 31. März 2001 zu verlängern.
Die
zitierten Unterlagen sind beigefügt (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
14. Dezember 2000, Urteil des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg vom
24. März 1999 sowie Beschluss des 3. Senats des
Oberverwaltungsgerichts Brandenburg in dem Verfahren Gadow vom
23. Mai 2000).
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Reiner Geulen
(Rechtsanwalt)