Auszug
aus Protokoll zur Fragestunde der 18. Sitzung (15.01.2003)
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 25 des Kollegen Werner Kuhn:
Sind der Bundesregierung die
planungsrechtlichen Bedenken betroffener Gemeinden gegen das bis Januar 2002
durchgeführte Anhörungsverfahren über die künftige Nutzung des
Truppenübungsplatzes Wittstock bekannt und, wenn ja, welche Auswirkungen hat
diese Kenntnis auf die im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vereinbarte
kurzfristige Überprüfung der militärischen Planung am Standort Kyritz-Ruppiner
Heide durch die Bundesregierung?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Danke, Herr Präsident.
Lieber Herr Kollege Kuhn, die von Ihnen in Ihrer Frage erwähnten Bedenken der betroffenen Gemeinden gegen das aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 durchgeführte Anhörungs-verfahren zur geplanten militärischen Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock sind der Bundesregierung bekannt. Die Gemeinden haben im Rahmen des durchgeführten Anhörungsverfahrens Bedenken gegen dieses Verfahren als solches und wegen entgegenstehender gemeindlicher Planungen erhoben.
Die Verfahrensbedenken werden nach Rechtsauffassung der Bundesregierung nicht geteilt und üben somit keinen Einfluss auf die in der Koalitionsvereinbarung vereinbarte Überprüfung der militärischen Planungen für den Truppenübungsplatz Wittstock aus.
Die wegen widerstreitender kommunaler Planungen erhobenen Einwände der betroffenen Gemeinden werden sowohl bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten Überprüfung als auch im Entscheidungsprozess des Anhörungsverfahrens umfassend geprüft, um durch eine ausgewogene Würdigung aller Interessen eine abschließende Entscheidung der Bundesregierung sorgfältig vorzubereiten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zusatzfrage, Kollege Kuhn.
Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, auf welcher
rechtlichen Grundlage basiert das Anhörungsverfahren und wie erklärt sich die
Bundesregierung, dass in diesem Verfahren ein erheblicher Unmut der
Belegenheitsgemeinden wegen der nicht entsprechend ausgefertigten Anhörungsunterlagen
entstanden ist und dass hier vonseiten der nordbrandenburgischen Städte und
Gemeinden sowie des Landkreises erhebliche Kritik gekommen ist?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Die Rechtsgrundlage bilden die bisherigen rechtlichen Abläufe und die Verpflichtung durch das Gericht, das Anhörungsverfahren durchzuführen. Die auch anwaltschaftlich vorgebrachten Bedenken, dass das diesbezügliche Anhörungsverfahren unter schwerwiegenden Verfahrensmängeln leide, werden von uns nicht geteilt. Die Rechtseinschätzung des Bundesministers der Verteidigung ist eine andere. Deswegen wurde auch dem rechtsanwaltschaftlich vorgebrachten Antrag nicht entsprochen.
Wir wissen um die Kontroverse, die es darum seit längerem gibt. Sie haben mir heute entsprechende Unterschriften überreicht.
(Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Korrekt!)
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Anhörung werden wir - wie bereits dargetan - eine Verwaltungsentscheidung zu Art und Umfang der beabsichtigten militärischen Nutzung nicht nur vorbereiten, sondern auch treffen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Zusatzfrage?
Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU):
Jawohl. - Herr Staatssekretär, Ihnen ist bekannt, dass
der Ausschuss für Angelegenheiten der Neuen Länder im Einvernehmen mit dem
Verteidigungsausschuss eine öffentliche Sitzung in Form einer Anhörung zu dem
Thema wirtschaftliche Auswirkungen nicht nur auf die Region Kyritz-Ruppiner
Heide, sondern auch auf die Region der Mecklenburgischen Seenplatte durchgeführt
hat. Inwieweit hat Ihr Ministerium die Ergebnisse dieses Anhörungsverfahrens
mit in das laufende Verfahren einbezogen?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Wir haben Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der Neuen Länder zu dem besagten Anhörungsverfahren bereits im April 2002 einen ausführlichen Sachstandsbericht zu gesandt und haben zu dem hieraus resultierenden Wirtschaftsfaktor im Zusammenhang mit der militärischen Nutzung Auskünfte gegeben. Diese Ausführungen mit den entsprechenden Inhalten zur wirtschaftlichen Entwicklung der Kyritz-Ruppiner Heide und der Mecklenburgischen Seenplatte sind natürlich entsprechend beurteilt worden.
Wir haben feststellen können, dass die Region durch die militärische Nutzung, die wir auch heute hier in der Fragestunde miteinander erörtern, nicht benachteiligt worden ist und dass sie dadurch auch nicht gelitten hat. Auch die Übernachtungszahlen sind nicht zurückgegangen. Vielmehr können wir davon sprechen, dass die militärische und auch wirtschaftliche sowie insbesondere fremdenverkehrsmäßige und der Förderung der Gesundheit vieler Menschen dienende Nutzung dieser Regionen, dieser attraktiven Landschaft miteinander vereinbar ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nun kommen wir zur Frage 26 des Kollegen Kuhn:
Wie schätzt die Bundesregierung den durch
eine ihren ursprünglichen Vorstellungen entsprechende militärische Nutzung des
Truppenübungsplatzes Wittstock entstehenden (tourismus-) wirtschaftlichen
Nachteil für die betroffenen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs
ein und wie hoch beziffert sie demgegenüber die sich aus dieser Nutzung ihrer
Ansicht nach ergebenden wirtschaftlichen Vorteile für die gesamte Region?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Herr Kollege, im Einklang mit der Auffassung des brandenburgischen Ministeriums für Wirtschaft, das sich aufgrund der strukturschwachen Region um Wittstock mit Nachdruck für die vom Bundesministerium der Verteidigung vorgestellten Pläne ausgesprochen hat und zudem dort in den kommenden Jahren keine vergleichbaren strukturverbessernden Projekte erwartet, sieht die Bundesregierung auch im Zusammenhang mit dem, was ich gerade gesagt habe, durch die beabsichtigte militärische Nutzung keine Nachteile für den Tourismus oder andere Wirtschaftszweige im regionalen Bereich des Truppenübungsplatzes.
Dem Bundesministerium der Verteidigung ist keine Region bekannt, in der Tourismus oder andere Wirtschaftszweige aufgrund von militärischen Tiefflügen nachweislich Schaden genommen haben. Persönlich kann ich das angesichts meiner Erfahrungen unterstreichen, die ich in vorangegangenen Legislaturperioden gewonnen habe, als ich Vorsitzender eines Unterausschusses des Verteidigungsausschusses war, der sich insbesondere mit den Auswirkungen von Tieffluglärm in bestimmten Regionen unseres Landes beschäftigt hat.
Eine vergleichende Betrachtung von Flugbetriebszahlen der Luftwaffe und Tourismuszahlen des Statistischen Bundesamtes lässt keine direkte Abhängigkeit der Entwicklung von Übernachtungszahlen vom Umfang der Tiefflugbelastung erkennen. So ist zum Beispiel im Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg die Zahl der Gästeübernachtungen gestiegen, während auf dem Truppenübungsplatz Wittstock militärischer Flugbetrieb durchgeführt wurde. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass durch die ausreichenden Entfernungen zu den touristischen Zentren der Region militärische Nutzung und Tourismus in Einklang gebracht werden können.
Bei den durch die Realisierung der militärischen Nutzung zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteilen für die Region geht die Bundesregierung von den nachfolgenden Zahlen aus: Investitionen von circa 62 Millionen Euro für notwendige Infrastrukturmaßnahmen, ein Sanierungsvolumen von circa 51 Millionen Euro bei der Altlastenbeseitigung, ein Kostenvolumen von circa 128 Millionen Euro für die Munitionsräumung, Beschäftigung von durchschnittlich 400 Arbeitskräften für einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren im Rahmen von Munitionsräumung und Altlastenbeseitigung, des Weiteren eine dauerhafte Anstellung von circa 150 Zivilbeschäftigten bei der Bundeswehr und schließlich ein Zuwachs an jährlicher Wirtschaftskraft von circa 10 Millionen Euro durch den Betrieb von Truppenübungsplatz und Garnison.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Zusatzfrage des Kollegen Kuhn.
Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, Sie haben die
wirtschaftliche Entwicklung der Region trotz der militärischen Belastungen
gerade in ein sehr positives Licht gestellt. Sind Sie mit mir dennoch der
Auffassung, dass die Planungsunsicherheit und das schwebende Verfahren zur
Indienststellung des Luft-Boden-Schießplatzes in Wittstock - davon wären die
Mecklenburgische Seenplatte und Kyritz-Ruppiner Heide betroffen - dort eine
Auswirkung auf zukünftige Investitionen im Bereich Tourismus haben werden und
die Region in eine Benachteiligung gerät, da sich in Zeiten einer Rezession
potenzielle Kapitalanleger natürlich andere Standorte aussuchen werden?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Herr Kollege Kuhn, alle Beteiligten haben natürlich Anspruch auf eine sorgfältige Durchführung bei dieser, wie wir alle miteinander wissen, nicht einfachen Gemengelage. Wir haben hier nach bestem Wissen und Gewissen auf der Basis von rechtlichen Festlegungen gehandelt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir unverzüglich zu einer Verwaltungsentscheidung kommen wollen.
Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU):
Darauf zielt meine Nachfrage, Herr
Staatssekretär: Welche Vorstellungen haben Sie über den zeitlichen Ablauf des
Planfeststellungsverfahrens für den Luft-Boden-Schießplatz?
Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:
Ich sagte unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Verzögern. Wir werden diese Entscheidung nach den letztlich noch vorzunehmenden Abwägungsentscheidungen so schnell wie möglich treffen. Ich denke, wir werden im ersten Halbjahr zu einem Ergebnis kommen können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.