Rede von Dr. Ute Watermann
Sprecherin
der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)
Liebe
Freunde und Freundinnen des Friedens, liebe Frauen, Männer und Kinder hier auf
dem Ostermarsch in Fretzdorf,
jetzt
geht der Frieden los – so titelte 1989 eine deutsche Zeitung. Und
wahrscheinlich haben viele von Ihnen genau wie ich nach dem Fall der Mauer und
dem Ende des Kalten Krieges genau das gedacht: Das unsere Welt nun friedlicher
werden wird.
Das
war ein Trugschluss. Und an keinem anderen Ort in Deutschland wird das so
deutlich, wie hier in der Kyritz-Ruppiner-Heide. Hier zeigt sich, wie weit sich
die Welt, wie weit sich Europa und wie weit sich Deutschland von einer
friedlichen Welt fortbewegt haben.
Wir
stehen hier am Rande des sogenannten Bombodroms. Hier in der Heide will die
Bundesregierung einen Bombenabwurfplatz in Betrieb nehmen. Das heißt die Nato
und die Bundeswehr wollen mit geplanten knapp 2000 Flügen jährlich üben, wie
sie am besten ihre tödliche Bombenfracht abwerfen können.
Und
das nicht zu unser aller Verteidigung, so wie es unser Grundgesetz vorsieht,
sondern um in andern Ländern intervenieren zu können. Intervention das hört
sich harmlos an. Aber lassen wir uns davon nicht beirren. Hinter dieser
vermeintlichen Harmlosigkeit verstecken sich Krieg, Bombardierung und Tod.
Und
lassen wir uns auch nicht von der Lüge beirren, dass diese Interventionen
geführt werden, um Freiheit und Demokratie zu bringen. Wenn dies das Ziel
unserer Politik wäre, dann verstehe ich nicht, warum Deutschland, warum Europa,
warum die USA zu den führenden Rüstungsexporteuren dieser Welt gehören. Wir
stopfen die Welt mit Waffen voll, liefern in Konfliktregionen und Diktaturen.
Hier geht es nicht um Freiheit und Demokratie, sondern um das blanke Geschäft.
Ich
möchte den Menschen und den Initiativen hier vor Ort danken, dass Sie mit ihrer
unermüdlichen Arbeit den Betrieb des Bombodroms bisher verhindern konnten. Das
ist ein großer Erfolg. Und lassen Sie sich nicht von denen einschüchtern, die
schreiben, sie täten dies alles allein aus Eigennutz. Um sich gegen den
extremen Lärm und die Abgase zu schützen und um die wichtigen Arbeitsplätze im
Tourismus zu erhalten. Ich als Ärztin kann nichts Schlimmes daran finden. Im Gegenteil.
Es ist ihre Pflicht als Bürger, sich um ihre Gesundheit und um ihr Auskommen zu
sorgen.
Ich weiß aber auch aus vielen Gesprächen, dass Sie darüber hinaus hier stehen,
weil sie sich für ein friedliches Deutschland und Europa einsetzen – und gegen
ein Europa, das in aller Welt Krieg führen will. Für uns fügen sich die
Bombodrompläne nahtlos in die militärische Offensivstrategie der EU ein, die
damit den gleichen Weg einschlägt wie die USA und die militärische Lösung vor
die politische Lösung stellt. Dagegen werden wir uns wehren. Und wenn das
Bombodrom hier scheitern sollte und nach Polen oder in die Ukraine verlegt
werden sollte, dann verspreche ich Ihnen jetzt schon, dass wir auch dort stehen
und mit den lokalen Gruppen protestieren werden.
In
der EU-Verfassung ist ein 60.000 Personen starkes mobiles Einsatzkommando
geplant – auch deutsche Soldaten sind hier dabei – das weltweit eingesetzt
werden soll. Über den konkreten Einsatz der Truppe entscheidet der
EU-Ministerrat. Das heißt, wenn die Verfassung so in Kraft tritt, dann kann es sein, dass Morgen auch deutsche
Soldaten in einen Krieg aufbrechen, ohne dass die deutsche Bevölkerung oder der
deutsche Bundestag darüber befinden kann. Das ist unerträglich. Und genauso
unerträglich ist es, dass die SPD jetzt schon versucht, den Bundestag bei die
Frage von Krieg und Frieden zu umgehen und ein Entsendegesetz auf den Weg
gebracht hat, dass in vielen Fällen dazu führen wird, dass die Regierung allein
über die Entsendung von Soldaten entscheiden kann.
Es
ist die pure Angst vor der Bevölkerung und der Friedensbewegung, dass die
Regierung solche juristischen Finten erdenkt, um uns mundtot zu machen. Und
wenn keine Argumentation mehr zu ziehen scheint, dann bleibt den Herrschenden
immer noch der Verweis auf den Terror und die nationale Sicherheit.
Aber
wer den Terror als Argument ins Feld führt und damit Angriffskriege und
rechtfertigt, der muss doch auch definieren, was Terror ist. Der deutsche Duden
ist hier eindeutig: Terror, das ist das Anwenden von Gewaltmaßnahmen
um
politische Ziele durchzusetzen. In diesem Sinne sind die Attentäter des 11.
September menschenverachtende
Terroristen, aber in diesem Sinne sind eben auch die USA und ihre
Koalitionspartner Terroristen, und zwar Staatsterroristen, weil sie im Irak und
Afghanistan Städte und Dörfer bombardiert und dabei zehntausende unschuldiger
Menschen getötet haben.
Liebe
Freunde und Freundinnen Das Töten unschuldiger Menschen bekämpft nicht den
Terror. Im Gegenteil. Dieses Töten führt zu Hasse und zu neuem Terror. Die
Spirale der Gewalt dreht sich weiter und weiter. Das ist ein Weg, der in
Abgrund führt. Und das zeigen uns eben auch die menschenverachtenden
Terroranschläge in Spanien, die unschuldige Menschen in den Tod rissen und das
zeigt uns auch die Eskalation der Gewalt im Irak, die wir in der vergangenen
Woche erlebten. Aber inmitten all unserer Trauer um die Opfer, ist es
ermutigend, dass die neue spanische Regierung die Spirale der Gewalt nicht
mitmacht und trotz der Terroranschläge ihre Soldaten aus dem Irak heimholen
will.
Nein,
der Krieg gegen den Terror ist möglicherweise gefährlicher als der Terror
selbst. Und nirgends sehen wir das so deutlich, wie in den neuen Atomwaffenstrategien
der Atommächte, die nach dem 11. September überarbeitet worden sind. Und leider
ist hier wieder die USA vorgeprescht, die bereits 2000 erklärt hat, dass sie
eine neuen Generation von Atomwaffen entwickeln werden und diese erstens als Präventivwaffe und zweitens innerhalb
konventionell geführter Kriege einzusetzen
setzen bereit sind.
Das
ist Wahnsinn und es wundert doch überhaupt nicht, dass Gruppen und Staaten, die
auf der Angriffsliste der USA stehen, schnellstens versuchen, nun auch in den
Besitz der Bombe zu kommen, um sich gegen diese Präventivkriege zu schützen.
Die Atomwaffenstaaten müssen deshalb endlich ihrer Verpflichtung aus dem
Atomwaffenspeervertrag nachkommen und vollständig abrüsten.
Im
nächsten Jahr jährt sich der Atombombenabwurf auf Hiroshima zum 60igsten Mal –
und unserer Welt ist immer noch nicht atomwaffenfrei. Dagegen wird sich die
Friedensbewegung wehren. Wir laden Sie heute schon ein, bei unserer
internationalen Bürgermeisterkampagne mitzumachen und auch Ihren Bürgermeister
davon zu überzeugen, gemeinsam mit uns zur Überprüfungskonferenz des
Atomwaffensperrvertrages 2005 in New York zu fliegen – damit wir dort unserer
Protest kraftvoll vorbringen können.
Natürlich
kostet all die Aufrüstung Geld. Geld, das den Regierungen dieser Welt zunehmend
im sozialen Bereich fehlt. Aber vergessen wir nicht: Die soziale Gerechtigkeit
ist die Grundlage des Friedens. Und das gilt nicht nur für die Länder der
sogenannten dritten Welt sondern natürlich auch für Deutschland.
Es
ist gefährlich, wenn in Deutschland viele Jugendliche keine Lehre finden und viele junge Erwachsene arbeitslos sind.
Es ist gefährlich, wenn die öffentlichen Jugendprojekte zusammengestrichen
werden, und stattdessen private Kinder- und Jugendbildungsstätten aufmachen,
die sich nur die Besserverdienenden für ihren Nachwuchs leisten können. Es ist
gefährlich, wenn viele Kinder mittlerweile mittels Sozialhilfe großgezogen
werden. Das ist der soziale Sprengsatz der auch unseren inneren Frieden in
Deutschland gefährdet.
Aber
lassen wir uns von all diesen Rückschlägen nicht entmutigen, denn wir haben in
den vergangenen Jahren auch viel Positives erlebt.
Am
15. Februar 2003 haben Millionen Menschen weltweit für den Frieden
demonstriert, das war die größte Friedensdemonstration in der Geschichte der
Menschheit. Und nicht zuletzt haben die
Proteste in Deutschland dazu geführt, dass sich Bundeskanzler Schröder zu einem
klaren Nein gegen den Krieg durchrang.
Auf
den Weltsozialforen in Porto Alegre und Mumbai treffen sich Hunderttausende um
über eine lebenswerte und gerechte Zukunft zu beraten und mögliche Wege dahin
zu entwickeln.
Neben
diesen großen internationalen Bewegungen für den Frieden finden sich vielerorts
auch kleine, lokale und kreative Aktionen. Ein Beispiel dafür ist die
IPPNW-Aktion Hanau selber kaufen, die dazu geführt hat, dass sie
Bundesregierung nicht wie geplant den Verkauf der gefährlichen Hanauer
Plutoniumfabrik an China im März diesen Jahres genehmigen konnte – und es seht
so aus, dass sie aufgrund des öffentlichen Druckes den Export ganz gestoppt
hat.
Und
ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Bundesregierung an dieser Stelle
aufzufordern, endlich Farbe zu bekennen und sich gegen den Export an welches
Land auch immer offiziell auszusprechen.
Und
ebenso möchte ich die Bundesregierung auffordern, unseren Protest hier ernst zu
nehmen und den Betrieb des Bombodrom offiziell zu stoppen.
Genauso
wie die Bundesregierung sich für ein friedliches Europa einsetzen muss. Der
jetzige Entwurf der EU-Verfassung ist inakzeptabel.
Liebe
Freunde und Freundinnen, nur gemeinsam sind wir stark. Ich hoffe, dass, wenn
wir uns das nächste Mal wiedersehen, unserer Welt schon ein wenig friedlicher
geworden ist.