Ostermarsch Fretzdorf 2004

 

Rede von Dr. Ute Watermann

Sprecherin der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)

 

Liebe Freunde und Freundinnen des Friedens, liebe Frauen, Männer und Kinder hier auf dem Ostermarsch in Fretzdorf,

 

jetzt geht der Frieden los – so titelte 1989 eine deutsche Zeitung. Und wahrscheinlich haben viele von Ihnen genau wie ich nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges genau das gedacht: Das unsere Welt nun friedlicher werden wird.

 

Das war ein Trugschluss. Und an keinem anderen Ort in Deutschland wird das so deutlich, wie hier in der Kyritz-Ruppiner-Heide. Hier zeigt sich, wie weit sich die Welt, wie weit sich Europa und wie weit sich Deutschland von einer friedlichen Welt fortbewegt haben.

 

Wir stehen hier am Rande des sogenannten Bombodroms. Hier in der Heide will die Bundesregierung einen Bombenabwurfplatz in Betrieb nehmen. Das heißt die Nato und die Bundeswehr wollen mit geplanten knapp 2000 Flügen jährlich üben, wie sie am besten ihre tödliche Bombenfracht abwerfen können.

 

Und das nicht zu unser aller Verteidigung, so wie es unser Grundgesetz vorsieht, sondern um in andern Ländern intervenieren zu können. Intervention das hört sich harmlos an. Aber lassen wir uns davon nicht beirren. Hinter dieser vermeintlichen Harmlosigkeit verstecken sich Krieg, Bombardierung und Tod.

 

Und lassen wir uns auch nicht von der Lüge beirren, dass diese Interventionen geführt werden, um Freiheit und Demokratie zu bringen. Wenn dies das Ziel unserer Politik wäre, dann verstehe ich nicht, warum Deutschland, warum Europa, warum die USA zu den führenden Rüstungsexporteuren dieser Welt gehören. Wir stopfen die Welt mit Waffen voll, liefern in Konfliktregionen und Diktaturen. Hier geht es nicht um Freiheit und Demokratie, sondern um das blanke Geschäft.

 

Ich möchte den Menschen und den Initiativen hier vor Ort danken, dass Sie mit ihrer unermüdlichen Arbeit den Betrieb des Bombodroms bisher verhindern konnten. Das ist ein großer Erfolg. Und lassen Sie sich nicht von denen einschüchtern, die schreiben, sie täten dies alles allein aus Eigennutz. Um sich gegen den extremen Lärm und die Abgase zu schützen und um die wichtigen Arbeitsplätze im Tourismus zu erhalten. Ich als Ärztin kann nichts Schlimmes daran finden. Im Gegenteil. Es ist ihre Pflicht als Bürger, sich um ihre Gesundheit und um ihr Auskommen zu sorgen.


Ich weiß aber auch aus vielen Gesprächen, dass Sie darüber hinaus hier stehen, weil sie sich für ein friedliches Deutschland und Europa einsetzen – und gegen ein Europa, das in aller Welt Krieg führen will. Für uns fügen sich die Bombodrompläne nahtlos in die militärische Offensivstrategie der EU ein, die damit den gleichen Weg einschlägt wie die USA und die militärische Lösung vor die politische Lösung stellt. Dagegen werden wir uns wehren. Und wenn das Bombodrom hier scheitern sollte und nach Polen oder in die Ukraine verlegt werden sollte, dann verspreche ich Ihnen jetzt schon, dass wir auch dort stehen und mit den lokalen Gruppen protestieren werden.

 

In der EU-Verfassung ist ein 60.000 Personen starkes mobiles Einsatzkommando geplant – auch deutsche Soldaten sind hier dabei – das weltweit eingesetzt werden soll. Über den konkreten Einsatz der Truppe entscheidet der EU-Ministerrat. Das heißt, wenn die Verfassung so in Kraft tritt, dann  kann es sein, dass Morgen auch deutsche Soldaten in einen Krieg aufbrechen, ohne dass die deutsche Bevölkerung oder der deutsche Bundestag darüber befinden kann. Das ist unerträglich. Und genauso unerträglich ist es, dass die SPD jetzt schon versucht, den Bundestag bei die Frage von Krieg und Frieden zu umgehen und ein Entsendegesetz auf den Weg gebracht hat, dass in vielen Fällen dazu führen wird, dass die Regierung allein über die Entsendung von Soldaten entscheiden kann.

 

Es ist die pure Angst vor der Bevölkerung und der Friedensbewegung, dass die Regierung solche juristischen Finten erdenkt, um uns mundtot zu machen. Und wenn keine Argumentation mehr zu ziehen scheint, dann bleibt den Herrschenden immer noch der Verweis auf den Terror und die nationale Sicherheit.

 

Aber wer den Terror als Argument ins Feld führt und damit Angriffskriege und rechtfertigt, der muss doch auch definieren, was Terror ist. Der deutsche Duden ist hier eindeutig: Terror, das ist das Anwenden von Gewaltmaßnahmen

um politische Ziele durchzusetzen. In diesem Sinne sind die Attentäter des 11. September  menschenverachtende Terroristen, aber in diesem Sinne sind eben auch die USA und ihre Koalitionspartner Terroristen, und zwar Staatsterroristen, weil sie im Irak und Afghanistan Städte und Dörfer bombardiert und dabei zehntausende unschuldiger Menschen getötet haben.

 

Liebe Freunde und Freundinnen Das Töten unschuldiger Menschen bekämpft nicht den Terror. Im Gegenteil. Dieses Töten führt zu Hasse und zu neuem Terror. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter und weiter. Das ist ein Weg, der in Abgrund führt. Und das zeigen uns eben auch die menschenverachtenden Terroranschläge in Spanien, die unschuldige Menschen in den Tod rissen und das zeigt uns auch die Eskalation der Gewalt im Irak, die wir in der vergangenen Woche erlebten. Aber inmitten all unserer Trauer um die Opfer, ist es ermutigend, dass die neue spanische Regierung die Spirale der Gewalt nicht mitmacht und trotz der Terroranschläge ihre Soldaten aus dem Irak heimholen will.

 

Nein, der Krieg gegen den Terror ist möglicherweise gefährlicher als der Terror selbst. Und nirgends sehen wir das so deutlich, wie in den neuen Atomwaffenstrategien der Atommächte, die nach dem 11. September überarbeitet worden sind. Und leider ist hier wieder die USA vorgeprescht, die bereits 2000 erklärt hat, dass sie eine neuen Generation von Atomwaffen entwickeln werden und diese erstens  als Präventivwaffe und zweitens innerhalb konventionell geführter  Kriege einzusetzen setzen bereit sind.

 

Das ist Wahnsinn und es wundert doch überhaupt nicht, dass Gruppen und Staaten, die auf der Angriffsliste der USA stehen, schnellstens versuchen, nun auch in den Besitz der Bombe zu kommen, um sich gegen diese Präventivkriege zu schützen. Die Atomwaffenstaaten müssen deshalb endlich ihrer Verpflichtung aus dem Atomwaffenspeervertrag nachkommen und vollständig abrüsten.

 

Im nächsten Jahr jährt sich der Atombombenabwurf auf Hiroshima zum 60igsten Mal – und unserer Welt ist immer noch nicht atomwaffenfrei. Dagegen wird sich die Friedensbewegung wehren. Wir laden Sie heute schon ein, bei unserer internationalen Bürgermeisterkampagne mitzumachen und auch Ihren Bürgermeister davon zu überzeugen, gemeinsam mit uns zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages 2005 in New York zu fliegen – damit wir dort unserer Protest kraftvoll vorbringen können.

 

Natürlich kostet all die Aufrüstung Geld. Geld, das den Regierungen dieser Welt zunehmend im sozialen Bereich fehlt. Aber vergessen wir nicht: Die soziale Gerechtigkeit ist die Grundlage des Friedens. Und das gilt nicht nur für die Länder der sogenannten dritten Welt sondern natürlich auch für Deutschland.

 

Es ist gefährlich, wenn in Deutschland viele Jugendliche keine Lehre finden  und viele junge Erwachsene arbeitslos sind. Es ist gefährlich, wenn die öffentlichen Jugendprojekte zusammengestrichen werden, und stattdessen private Kinder- und Jugendbildungsstätten aufmachen, die sich nur die Besserverdienenden für ihren Nachwuchs leisten können. Es ist gefährlich, wenn viele Kinder mittlerweile mittels Sozialhilfe großgezogen werden. Das ist der soziale Sprengsatz der auch unseren inneren Frieden in Deutschland gefährdet.

 

Aber lassen wir uns von all diesen Rückschlägen nicht entmutigen, denn wir haben in den vergangenen Jahren auch viel Positives erlebt.

 

Am 15. Februar 2003 haben Millionen Menschen weltweit für den Frieden demonstriert, das war die größte Friedensdemonstration in der Geschichte der Menschheit.  Und nicht zuletzt haben die Proteste in Deutschland dazu geführt, dass sich Bundeskanzler Schröder zu einem klaren Nein gegen den Krieg durchrang.

 

Auf den Weltsozialforen in Porto Alegre und Mumbai treffen sich Hunderttausende um über eine lebenswerte und gerechte Zukunft zu beraten und mögliche Wege dahin zu entwickeln.

 

Neben diesen großen internationalen Bewegungen für den Frieden finden sich vielerorts auch kleine, lokale und kreative Aktionen. Ein Beispiel dafür ist die IPPNW-Aktion Hanau selber kaufen, die dazu geführt hat, dass sie Bundesregierung nicht wie geplant den Verkauf der gefährlichen Hanauer Plutoniumfabrik an China im März diesen Jahres genehmigen konnte – und es seht so aus, dass sie aufgrund des öffentlichen Druckes den Export ganz gestoppt hat.

 

Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Bundesregierung an dieser Stelle aufzufordern, endlich Farbe zu bekennen und sich gegen den Export an welches Land auch immer offiziell auszusprechen.

Und ebenso möchte ich die Bundesregierung auffordern, unseren Protest hier ernst zu nehmen und den Betrieb des Bombodrom offiziell zu stoppen.

Genauso wie die Bundesregierung sich für ein friedliches Europa einsetzen muss. Der jetzige Entwurf der EU-Verfassung ist inakzeptabel.

 

Liebe Freunde und Freundinnen, nur gemeinsam sind wir stark. Ich hoffe, dass, wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen, unserer Welt schon ein wenig friedlicher geworden ist.