68.Protestwanderung

01.01.2001 (Neujahrstag)

in Schweinrich

 

Andacht

Pfarrer Benedikt Schirge, Zühlen

 

Liebe Freundinnen und Freunde von der FREIen Heide !

 

Es war immer etwas Besonderes hier in Schweinrich das Neue Jahr anzufangen. Und das ist natürlich in diesem Jahr auch nicht anders. Zumal ,wenn man bedenkt, dass Alle hier sich schon lange nach einer freien Heide sehnen, ob sie hier in der  Gegend wohnen, oder ob sie ganz fern in Deutschland wohnen, oder auch in anderen Ländern, denn es gibt auch immer wieder Zuschriften aus anderen Ländern Europas an uns, die fragen : „Wie geht es bei Euch ?“ „Wie läuft es bei Euch ?“ Für all diese Menschen gab es im vergangenen Jahr 10 Tage früher eine Weihnachtsbescherung. Weil am 14. Dezember, ich glaube, es war um 9.50 Uhr etwa, der Richter verkündete: „Die Revision des Urteils des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Brandenburg wird zurückgewiesen.“ Da brach ein spontaner Beifall aus. Da umarmten sich Menschen und da floss so manche Träne. Und dann gab es den ganzen Tag Glückwünsche, Anrufe, Faxe. Es war toll, wie viele  Menschen an diesem Ereignis teilhatten. Und die Nachrichten sind ja dann im ganzen Land verbreitet worden. Und diese Freude hielt noch eine ganze Weile an, dass man immer wieder darauf  angesprochen wurde. Am nächsten Tag stand´s dann in den Zeitungen zu lesen. Ich möchte mal ein paar Überschriften aus regionalen und deutschlandweiten Zeitungen zitieren: „Gericht verhindert BOMBODROM“ , heißt es oder „BOMBODROM bleibt gesperrt“ , „Bundeswehr darf keine Bomben schmeißen“ , „Hier herrscht jetzt Frieden!“ , „Keine Bomben auf  Wittstocker-Heide!“ , „Bundeswehr unterliegt im  Rechtsstreit!“ , „Schießverbot am BOMBODROM“ , „Richtiger Schritt zur bombenfreien Heide“ , „BOMBODROM entwaffnet „ , „Ruhe in der Prignitz, das „Aus“ für das BOMBODROM“ , „Bundeswehr blitzt bei Gericht ab“ , „Platzverweis für Scharping“ , (Beifall) , „Scharpings Schlappe“ , „Letzte Instanz stoppt Bundeswehr vorm BOMBODROM“ , „BOMBODROM ohne Bomben“ , „Bundeswehr-schlappe bei Wittstock“ , „BOMBODROM entschärft“ , „Bund muss Heide räumen !“ . Und ich könnt noch eine Weile fortfahren. Ich habe eine ganze Menge Zeitungen gesammelt und auch zugeschickt bekommen, aber ich denke, es reicht ja. Ich will mal noch eine nächste Meldung, die dann einen Tag später in Wittstock stand, erwähnen, weil die für mich und für uns alle hier vielleicht, eine besonders schöne Anzeige war:

 „ Wir haben uns über den Erflog der FREIen HEIDe so sehr gefreut, dass wir uns mit dieser Anzeige bei Allen bedanken möchten, die den Sieg vor Gericht ermöglicht haben. Sandra Weber und Thomas Rudnick aus Dranse.(Beifall)

Wir sind noch nicht am Ende unseres Weges angekommen, aber es ist gut, solche Tage und Stunden zu erleben. Sich bewusst zu machen, wie viel Gewinn unser Engagement bringt. Diese Bekanntschaften oder Freundschaften oder das Gefühl des aufrechten Ganges, dass wir dafür, was wir denken oder fühlen, auch einstehen. Ja, dass unser Engagement praktizierte Menschenwürde ist. Dass es Menschen gibt, die dafür dankbar sind.

Ein besonderer Moment, an den ich zurückdenke ist für mich die Rückfahrt mit dem Bus von Frankfurt / Oder nach dem Urteil des damaligen Oberverwaltungsgerichtes. Erwin Stettin aus Dorf Zechlin ging im Bus nach vorne nahm das Mikrofon und sang: „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit Euch leben, und mit Euch gehen in ein Neues Jahr. Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen, diese Strophe ganz einfach mal zu singen. Es gibt ja einige, die dieses Lied kennen und vielleicht können wir es einfach mal versuchen: (Orgel setzt ein und es wird gesungen nach der alten Melodie).

Im Nazi-Gefängnis, die Nähe des Todes vor sich, hat Dietrich Bonnhöfer zur Jahreswende 1944 / 45 diesen Vers gedichtet, und damit nächsten Generationen Ausdruck der Hoffnung, der Zuversicht und Geborgenheit gegeben. Das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, bedarf immer wieder der Bestätigung. Unser Weg, er ist mittlerweile nicht mehr der kürzeste. Aber ich denke, wir alle, hier, sind uns unseres Weges sicher. Ein Weg, der von denen, die den Platz hinterm Ofen hüten vielleicht nicht so verstanden wird. Ein Weg, der manche auch verärgert, sehr verärgert. Aber ein Weg, den wir fortsetzen werden. Und eine Bestätigung dieses friedlichen Weges ist nicht nur ein Urteil, wie das des Bundesverwaltungsgerichtes, sondern für mich noch mehr jeder Einzelne, der heute hier bei der Protestwanderung ist, oder die sonst bei den üblichen Protestwanderungen dabei sind. Zum neunten Mal geht nun unsere Bürgerinitiative in ein Neues Jahr und keines dieser Jahre war vergeblich.

Als wir 1999 zum „Jahr der FREIenHEIDe“ proklamierten, wussten wir noch nicht, dass dieser Rechtsweg dann jetzt die entscheidende Wendung nehmen würde. Dann kam das klare Ergebnis vom 24.März 1999.

Der Empfang im vergangenen Jahr leitete ein ebenso erfolgreiches Jahr ein, mit dem üblichen  Ostermarsch, mit der Reichstagswanderung , der Strohspirale und der Buchveröffentlichung. Und natürlich nicht zu vergessen, die vielen Protestwanderungen  und dann am Ende das Urteil. Dass Alles so lange dauern würde, ahnte damals kaum einer. Doch Professor Ebert ermunterte uns schon am 15.08.92 bei der ersten Demonstration , die wir hier in Schweinrich am See hatten, zu einem „langen Atem“. Er erzählte vom Larzac in Südfrankreich, wo man 10 Jahre im Widerstand erfolgreich war. Im Herbst letzten Jahres war ich im Larzac. Ein landschaftlich reizvolles Plateau in 800 Metern Höhe. Ich habe mir das Land angeschaut und habe einiges über die Geschichte Südfrankreichs erfahren. Anfang 1970 wurde in der Provence das Militär-Camp Laceur angelegt. 30000 Schafe werden vertrieben, ein Dorf wird von der Landkarte gestrichen, etliche Landwirtschaftsbetriebe müssen Schließen. Und der Verteidigungsminister erklärt bei der Eröffnung dieses Camps : „Nun werden die Mädchen aus der Gegend sich verheiraten können1“. Man sieht, nicht nur Deutsche Verteidigungsminister zeichnen sich durch Unsensibilität aus. Und wenn man dann eine kurze Zeit später den westlicher gelegenen Larzac einkassieren will, ist  die Geduld der Südfranzosen am Ende.

Und eine beispielhafte Bewegung entsteht, die Menschen nicht nur aus Südfrankreich, sondern aus dem ganzen Lande anzieht, die erfolgreich war. Die Bauern fanden viel Unterstützung . So las ich beispielsweise mit Interesse, von zwei Bischöfen, die solidarisch mit in den Hungerstreik traten. Und die Bauern waren mit einem großen und wohl auch notwendigen Selbstvertrauen ausgestattet.. Ein Bauer erzählt im Jahr 1971:“ Ein Hauptmann kommt mit Begleitung vorbei und geht mitten durch das Feld, wo ich am arbeiten bin. Also gehe ich zu ihm hin und sag ihm, dass ich hier ernte und dass er da nicht durchgehen soll. Da tut  er seine Mütze runter und zeigt mir sein Hauptmannschild. Da ziehe ich meine Mütze runter, um ihm die Spinnweben zu zeigen, und dass die meine Sterne sind und dass ich als Bauer mindestens mit einem General mithalten kann...“ Von guten Mächten wunderbar geborgen .......

Aus Spendengeldern wird dann in Laceur ein wunderschöner großer Schafstall errichtet, der in den 70-er Jahren als Versammlungsraum diente und dann erst später seiner eigentlichen Bestimmung zukommt. An dessen Außenwänden ist in vielen Sprachen dieser Erde ein Satz zu lesen:

 

„Zu allen Zeiten waren Waffen Instrumente der Barbarei“.

 

Ein Spruch , der auch in enger Beziehung zur Inschrift einer der Schweinricher Mahnsäulen 

 

„Rüstung tötet auch ohne Krieg“

 

gesetzt werden kann. Ein Satz, der sich durch die ganze Geschichte hindurch leider immer wieder bewahrheitet hat. Und aus dieser Geschichte heraus ist es nicht verwunderlich, dass es Menschen gab und gibt, die kein Vertrauen in irgendeine Waffe hatten oder haben.

Sondern, die sagen, wenn wir etwas ändern wollen, und dazu gibt es ja bekanntlich immer Grund, dann kritisch und gewaltlos. So, wie wir es jetzt mittlerweile im 9.Jahr unseres langen Weges tun. Von guten Mächten geführt und geborgen. Wie auch andere gewaltlose Bewegungen vor denen sich die Mächtigen bisweilen mehr gefürchtet haben, als vor kritischen  Auseinandersetzungen.

Jedoch gab es auch immer wieder Versuche uns zu verleumden. Sie haben uns als gefährlich und gewalttätig hingestellt. Ich denke zum Beispiel an ein Plakat, das vor Jahren in einem öffentlichen Schaukasten von Wittstock hing. Flammen waren über der Stadt zu sehen, verursacht ganz offensichtlich durch Menschen mit FREIeHEIDE-Plakaten. Und darunter stand: “Wittstocker wollt ihr das?“ oder so ähnlich. Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich frage mich, wann endlich eigentlich der Wittstocker Bürgermeister, oder der dafür verantwortlich war, sich endlich entschuldigen wird für diese Entgleisung , die den Leuten damals passiert ist.(Beifall)

Wer das Wort Pazifismus als Schimpfwort benutzt, der überführt sich nur selbst. Und wenn ich wie in den letzten Tagen wiederholt  von den Plänen der neuen amerikanischen Regierung höre, das SDI-Programm umzusetzen, also auch den Weltraum mit Waffen auszustatten, dann kann ich mir nur wünschen, dass sich noch ganz ganz viele Menschen auf einen friedlichen und gewaltlosen Weg auf dieser unserer Erde machen.

Auch die Richter des Bundesverwaltungsgerichtes waren beeindruckt von dem friedvollen beharrlichen Weg, all der Menschen, die sich für die zivile Nutzung der Heide hier einsetzen. Und spürten vielleicht auch, wie viel Kraft und Lebenszeit, wie viel Emotion in dieser Bürgerbewegung steckt. Auch wenn das für das Urteil vielleicht nicht ausschlaggebend gewesen sein mag. Dass dieses Urteil nun vom Verteidigungsministerium akzeptiert wird, ohne neue Spitzfindigkeiten, das erwarten wir ganz klar und deutlich. Dass wir dies jedoch nicht gutgläubig tun können, das hat die Vergangenheit leider zur Genüge bewiesen. Deshalb werden wir weiter wandern, bis die Heide frei ist von Willkür und Zerstörung. Wir können also feiern und frohgemut ins Jahr 2001 gehen. Das Urteil hat manchen erstaunt, viel erfreut und im Grund bedeutet es einen starken Rückenwind. Mit Gottvertrauen, und wer es anders ausdrücken möchte, möge dies gerne tun, gehen wir in dieses Neue Jahr .

Und da wir vorhin so schön miteinander gesungen haben, würde ich bitten , dass wir noch einmal mit dem Vers „ ..Von guten Mächten treu und still umgeben ....“ dann die Ansprache Schließen.

(Die Teilnehmer in der vollbesetzten Schweinricher Feldsteinkirche singen unter Orgelbegleitung:)

 

„Von guten Mächten treu und still ergeben,

behütet und getröstet wunderbar,

so will ich diese Tage mit Euch leben

und mit Euch gehen in ein neues Jahr.

 

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen,

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.