71.
Protestwanderung
10.06.2001
Pfalzheim
Pfarrer
i.R. Karau, Neuruppin
Da heute Alles ein bisschen
anders läuft, und wir auch keine Eingangsmusik haben, bin ich dafür, dass wir
selber eine Eingangsmusik fabrizieren. Wir haben hier einen schönen kleinen
gemütlichen Raum. Wir haben es warm. Wir stehen trocken. Da bietet sich an,
dass wir miteinander singen : „ Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist,
ist ein König.“ (Der Kanon wird gesungen).(Spontaner Applaus)
Ich hab mir das so
vorgestellt. Es wird regnen, wir sind ein kleines Häuflein, gar nicht zu
vergleichen mit dem, was wir zu Ostern waren, und wir brauchen vielleicht auch
ein Wort der Ermutigung. Ich hab noch einmal das ganze Buch durchgelesen; „Auf
dem Weg zur freien Heide“, nein, es hat einen anderen Titel; „BOMBODROM nein
danke“. Das ist so ermutigend, aber auch so erschütternd, was dort
zusammengetragen ist und das wir so lange unterwegs sein müssen und das wir
noch keine endgültigen Ergebnisse haben. Und mir ist klar geworden, und wenn
wir hier auf unserem Truppenübungsplatz und Schießplatz und BOMBODROM und wie
man ihn nennen mag, endgültige Ergebnisse haben werden, werden wir wohl
weiterhin zusammenkommen müssen. Denn was sich da abzeichnet in der
Armeestrategie, in der Militärstrategie, das ist doch nicht widerspruchslos
hinzunehmen. Das man mit gezielten Angriffen auf potentielle Feinde sich
vorbereitet und das man dann Chemieanlagen trifft und dass man dann einen
Chemiekrieg führt, ohne ihn bewusst führen zu wollen, also doch bewusst führen
zu wollen, hintenrum. Also wir werden
weiterhin auf der Wanderung bleiben, durch unsere Heide, aber im Blick auf das
Ganze. Und beim Überlegen unserer ganzen Situation kam mir ein Wort in den
Sinn, aus der Bergpredigt, Mathäus, Kapitel 5: Stellen Sie sich folgende
Situation vor. Da ist Jesus mit seinen paar Jüngern, die Tradition sagt, es
waren 12 Männer. Er wird noch mehr Freunde gehabt haben, die sich aufmerksam an
seinen Mund geheftet haben und haben gerne gehört, was er sagte. Es war
unkonventionell, was er sagte über Gott, über den Umgang miteinander und dann
sein Friedensprogramm. Es war unkonventionell. „Schlag nicht Deinen Feind tot,
sondern versuch ihn zu deinen Freund zu machen. Das steckt da drin in dem Wort,
„liebet Eure Feinde“. Sucht den Kompromiss. Es ist kein Friede, wenn der Feind
darüber zu Grunde geht. Und diese paar Leute, die er um sich hatte; die
begannen zu begreifen. Die haben wenig begriffen, aber etwas. Die haben so
wenig begriffen, dass der Petrus bei der Verhaftung von Jesus das Schwert
rausziehen wollte und wollte ihn doch noch mit Gewalt verteidigen. Der musste
sich anfahren lassen: „Steck des Schwert weg, wer das Schwert nimmt, kommt
durch das Schwert um.“ Sie haben angefangen zu begreifen. Und diesen paar
Leuten sagt Jesus: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Ich find das ungeheuerlich.
Und ich finde das auch wie einen Zuspruch von vor 2000 Jahren für mich und für
Sie. „Ihr seid das Salz der Erde.“ Das heißt, ihr seid wichtig. Jammert nicht
über Euere Kleinheit, dass ihr so wenige seid, und wenn wir auch mal 4000 sind.
Es ist doch nichts im Blick auf die große Masse in unserem Volk, die politisch
gleichgültig ist, und die sich abfindet mit dem, was war und die sagt: „Das war
so, und das bleibt so und ihr ändert ja doch nichts. Ihr seid ja Spinner, ihr
seid ja Utopisten, haltet Euch an die Realität. Wir sind eine kleine Schar,
denen sagt Jesus,
„Ihr seid das Salz der
Erde.“ Man kann nicht unbesehen über so eine kleine Protestbewegung , wie wir
sie machen im Lande, hinweggehen. Die Militärstrategen können nicht unbesehen
diesen Bombenabwurfplatz übernehmen. Das geht nicht so weiter. Das Körnchen
Salz, das wir sind, wirkt sich aus. Und es wird sich weiter auswirken. Es wird
sich auswirken im Nachdenken über Ehrlichkeit, über Lobbyisten.
Keiner kann uns vorwerfen,
dass wir hier für irgendeine Lobby
eintreten. Dass wir da an irgendwas denken, das „klimpert“. Keiner kann uns das
vorwerfen. Das wird sich auswirken im Blick auf die junge Generation, die
heranwächst, dass sie begreifen, es lohnt sich zu leben, Mut zu haben und gegen
den Strom zu schwimmen und aufzustehen und den Mund aufzumachen und sich nicht
alles gefallen zu lassen.
Ich hab das an meinen
Eltern, an meinen Onkeln, an meinen Nachbarn hab ich das gesehen. Guck ich mir
das an. Es wird sich auswirken im Blick auf die Verantwortung. Und auf die
Zukunft. Wir sprechen von nachhaltiger Politik, von nachhaltigen Wirtschaften ,
von Nachhaltigkeit. An der Stelle müssen wir Verantwortung wahrnehmen.
Müssen wir zukunftsgewandt
sein. Können wir es uns nicht gefallen lassen, dass man über uns verfügt, „Wir
sind das Volk !“ haben wir doch mal gerufen .“Ihr seid das Salz der Erde!“ Mit
diesem fröhlichen Bewusstsein wollen wir wandern, nicht nur heute, sondern auch
in die Zukunft hinein gehen. Und wir werden Rückschläge erleben, wir werden
erleben, dass man über uns doch verfügt, und wir werden nicht klein beigeben.
Wir werden nicht schweigen. Wir werden uns immer wieder melden. Vielleicht auch
unter Tränen melden, aber wir werden uns melden. Es darf nicht
alles weiter gehen, wie es war. Dafür sind wir da. „Ihr seid das Salz
der Erde !“
Ja, das könnte uns fröhlich
machen, sodass wir noch mal den Kanon singen. Bitte! :
( Alle singen noch mal:
„Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist ist ein König“.)
f.d.R.d.A Tonbandmitschnitt , Rainer Kühn, Chronist der BI FREIeHEIDe