Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Berlin

Nr. 48/2000 vom 14. Dezember 2000

 

Bundeswehr darf Bombenabwurfplatz Wittstocker Heide vorerst nicht nutzen


Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat heute Entscheidungen des Brandenburgischen Oberverwaltungsgerichts vom März 1999 im Ergebnis bestätigt, wonach der frühere sowjetische Truppenübungs- und Bombenabwurfplatz südlich von Wittstock - derzeit - nicht von der Bundeswehr weitergenutzt werden darf. Geklagt hatten zwei Gemeinden, deren Gebiet zu großen Teilen von dem Übungsplatz in Anspruch genommen wird.

Nicht gefolgt ist das Bundesverwaltungsgericht allerdings der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, es fehle überhaupt an einer gesetzlichen Grundlage für die weitere militärische Nutzung des Geländes nach Abzug der russischen Truppen im Sommer 1993. Der Einigungsvertrag hat mit den Art. 8, 19 und 21 die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass auch die Liegenschaften, die von den sowjetischen Truppen auf der Grundlage des Rechts der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik für militärische Zwecke genutzt worden sind, in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland übergangen sind und für Zwecke der Bundeswehr weitergenutzt werden dürfen. Die öffentlich-rechtliche Zweckbindung (Widmung) dieser Liegenschaften für Zwecke der Landesverteidigung ist nicht dadurch aufgehoben worden, dass das Gesetz zum Vertrag über den befristeten Aufenthalt und den planmäßigen Abzug der sowjetischen Truppen vom Oktober 1990 nur Regelungen für eine zeitlich begrenzte militärische Nutzung von Truppenübungsplätzen getroffen hat. Der Anwendungsbereich von Vertrag und Gesetz ist von vornherein darauf begrenzt gewesen, die - befristete - Nutzung der Flächen durch die Westgruppe der sowjetischen Truppen innerstaatlich rechtlich abzusichern.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den klagenden Gemeinden gleichwohl einen Unterlassungsanspruch zugestanden, weil sie vor der Entscheidung des Bundes, den Truppenübungsplatz Wittstock künftig als Luft-Boden-Schießplatz der Bundeswehr zu nutzen, nicht in der gebotenen Weise angehört worden sind. Ihre Betroffenheit und ihre planerischen Vorstellungen vor allem in Bezug auf die städtebauliche Entwicklung sind nicht ausreichend ermittelt und in die Abwägung eingestellt worden. Der Entschluss des Bundes, das 13.000 ha große Gelände für Übungszwecke der Bundeswehr weiterzunutzen, stand im Zusammenhang mit einer grundlegenden Neustrukturierung der Bundeswehr und einer veränderten Bedarfslage für militärische Standorte und Einrichtungen. Der Bund hat deshalb bereits 1992 ein neues Truppenübungsplatzkonzept aufgestellt. Dabei ging es darum, die geeignetsten Standorte zu erhalten, aber auch unter Berücksichtigung der im Umkreis der Standorte betroffenen Bevölkerung und Gemeinden eine angemessene "Lastenverteilung" zu erreichen. Eine solche planerische Entscheidung setzt nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine Ermittlung der Standortgegebenheiten auch unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Betroffenheiten und, soweit es die Gemeinden betrifft, der Belange des Städtebaus voraus. Beschränkungen ihres Selbstverwaltungsrechts müssen die Gemeinden nur hinnehmen, wenn und soweit dies zur Wahrnehmung übergeordneter staatlicher Aufgaben erforderlich ist. Dies kann nur aufgrund einer sorgfältigen Ermittlung und Bewertung der konkreten Gegebenheiten unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entschieden werden. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hatte der Bund die betroffenen Gemeinden seinerzeit von seinen Absichten zu kurzfristig vor der abschließenden Entscheidung über das Truppenübungsplatzkonzept informiert und ihnen nicht ausreichend Gelegenheit gegeben, ihre Belange einzubringen.

BVerwG-Urteile 4 C 12.99 und 4 C 13.99 vom 14. Dezember 2000