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OBERVERWALTUNGSGERICHT

FÜR DAS LAND BRANDENBURG

 

BESCHLUSS

 

 

 

3 E 87/01

1 M 4/01 Potsdam

 

 

In dem verwaltungsgerichtlichen Vollstreckungsverfahren

 

1.    der Gemeinde Schweinrich, vertreten durch das Amt Wittstock-Land, dieses vertreten durch die Amtsdirektorin, Meyenburger Chaussee 6. 16909 Wittstock,

 

2.    der Gemeinde Rossow, vertreten durch das Amt Wittstock-Land, dieses vertreten durch die Amtsdirektorin, Meyenburger Chaussee 6, 16909 Wittstock,

 

Vollstreckungsgläubigerinnen und Beschwerdeführerinnen,

 

Prozessbevollmächtigter:          Rechtsanwalt Dr. Reiner Geulen, Schaperstraße 15,

10719 Berlin,

 

 

gegen

 

 

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Verteidigung, Hardthöhe, 53125 Bonn,

 

Prozessbevollmächtigte:           Rechtsanwälte Bräutigam, Fahs, Diesselberg, Uhlandstraße     165/166, 10719 Berlin,

 

Vollstreckungsschuldnerin und Beschwerdegegnerin,

 

 

wegen Vollstreckung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung;

hier: Androhung von Zwangsgeld

 

 

hat der 3. Senat

 

 

am 20. Dezember 2001

durch

 

den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Krüger,

den Richter am Oberverwaltungsgericht Bergk und

den Richter am Oberverwaltungsgericht Leithoff

 

beschlossen:

 

Auf die Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerinnen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 2. August 2001, soweit angefochten, geändert.

 

Der Vollstreckungsschuldnerin wird für den Fall, dass sie ihren Unterlassungspflichten aus den rechtskräftigen Urteilen des Senats vom 24. März 1999 - 3 A 55/97 sowie 3 A 60/97 - nach drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses weiterhin zuwiderhandelt, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 DM je Verfahren. angedroht.

 

Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

 

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100.000,00 DM festgesetzt.

 

 

Gründe:

 

1. Die Beschwerde ist zulässig. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Beschluss bedarf es keiner vorherigen Zulassung der Beschwerde. Die Vorschrift, die gegen bestimmte Beschlüsse des Verwaltungsgerichts die Zulässigkeit der Beschwerde von ihrer Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § l24 Abs. 2 VwGO abhängig macht (§ 146 Abs. 4 VwGO), bezieht sich nicht auf Beschlüsse, die die Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile zum Gegenstand haben. Danach verbleibt es in derartigen Verfahren bei der Zulässigkeit der Beschwerde nach § 146 Abs. 1 VwGO. Die wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung in Gang gesetzte Jahresfrist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) ist von den Vollstreckungsgläubigerinnen eingehalten worden.

 

 

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der auf die Festsetzung eines Zwangsgeldes gerichtete Antrag der Vollstreckungsgläubigerinnen ist zulässig und begründet.

Die Androhung eines Zwangsgeldes ist vorliegend in entsprechender Anwendung des § 172 Satz 1 VwGO zulässig. nach dieser Vorschrift kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis 2.000,00 DM durch Beschluss androhen, wenn sie in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Danach scheidet zwar eine unmittelbare Anwendung der genannten Bestimmung aus, da die Sachaussprüche in den rechtskräftig gewordenen Urteilen des Senats Verurteilungen der Vollstreckungsschuldnerin zu einem Unterlassen zum Gegenstand haben. Der Senat erachtet jedoch in diesen Fällen eine entsprechende Anwendung des § 172 Satz 1 VwGO jedenfalls dann für zulässig, wenn der Vollstreckungsgläubiger hierdurch keine stärkere Rechtsposition erhält, als wenn er die Vollstreckung eines auf ein Unterlassen gerichteten Urteils nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 890 ZPO betreiben würde. Im Hinblick auf den Zweck des § 172 VwGO, eine abschließende Sonderregelung für die Erzwingung hoheitlicher, nicht auf eine Geldleistung gerichteter Amtshandlungen zu schaffen, spricht vieles dafür, diese Vorschrift auf alle Fälle der Erzwingung hoheitlicher Amtshandlungen außerhalb der Geldvollstreckung einschließlich der Erzwingung von Unterlassungspflichten anzuwenden (vgl. Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 172 Rdn. 18 f. mit zahlreichen Nachweisen zum Streitstand; vgl. zur ähnlichen Problematik von auf ein Unterlassen gerichteten einstweiligen Anordnungen Beschluss des Senats vom 1. Juni 2001 - 3 E 97/00 - m. w. N.). Ebenso wenig wie jenes dem zuvor genannten Beschluss des Senats zugrunde liegende Verfahren gibt das vorliegende Verfahren Anlass, die Frage der Vollstreckung von auf ein Unterlassen gerichteten gerichtlichen Entscheidungen abschließend zu klären. Denn ungeachtet dessen, ob in diesen Fällen ein Vorgehen nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 890 ZPO in Betracht kommt - in diesem Fall wäre neben der Verhängung von Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM auch die Verurteilung zu Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zulässig -, hält der Senat jedenfalls das den Vollstreckungsschuldner weniger belastende Verfahren nach § 172 VwGO (die Höhe des Zwangsgeldes ist auf 2.000,00 DM begrenzt; Ordnungshaft und Ersatzzwangshaft sind nicht vorgesehen) nicht für unzulässig.

 

Für den Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, da zwischen den Beteiligten streitig ist, ob bestimmte Maßnahmen der Vollstreckungsschuldnerin mit den Sachaussprüchen der zu vo1lstreckenden Urteile vereinbar sind; dies betrifft insbesondere die Frage, ob die Vollstreckungsschuldnerin berechtigt ist, Schilder der Art, wie sie der Kommandant der „Truppenübungsplatzkommandantur Wittstock“ unterzeichnet hat, in den Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen aufzustellen.

 

Der Antrag ist auch begründet.

 

Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass die Kammer in der Besetzung von drei Richtern entschieden hat (vgl. § 5 Abs. 3 VwGO). Zwar haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden, der zudem zugleich als Berichterstatter tätig war, gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO erklärt; in einem solchen Fall ist der Vorsitzende bzw. Berichterstatter, wie sich schon aus dem Wort „kann“ in § 87 a Abs. 2 VwGO ergibt, aber nicht verpflichtet, anstelle der Kammer oder des Senats zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl (2000), § 87 a, Rdn. 8, m. w. N.). Macht er von seiner Entscheidungsbefugnis keinen Gebrauch, entscheidet die Kammer in der nach § 5 Abs. 3 VwGO vorgesehenen Besetzung. insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von derjenigen, die in einem Fall der Übertragung des Rechtsstreits auf ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 VwGO gegeben ist. In diesem Fall ist allein der Einzelrichter entscheidungsbefugt, eine Entscheidungsbefugnis der Kammer erst wieder gegeben, wenn eine Rückübertragung des Rechtsstreits auf diese nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfolgte.

 

Der Senat vermag dem angefochtenen Beschluss jedoch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu folgen. Denn es ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zu erwarten, dass die Vollstreckungsschuldnerin künftig den Urteilen des Senats vom 24. März 1999 (weiterhin) zuwiderhandeln wird. Zwar ist nach ihren glaubhaften Darlegungen nicht anzunehmen, dass auf ihre Veranlassung hin Übungsflüge über den Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen durchgeführt werden; Gegenteiliges tragen auch die Vollstreckungsgläubigerinnen nicht vor. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass in den betreffenden Gemeindegebieten Truppenübungen stattfinden. Allerdings haben die Vollstreckungsgläubigerinnen dargelegt, ohne dass die Vollstreckungsschuldnerin diesem Vorbringen entgegengetreten ist, dass Teile der Gemeindegebiete der Vollstreckungsgläubigerinnen weiterhin in einer Weise durch Schilder gekennzeichnet werden, die darauf schließen lässt, dass die Vollstreckungsschuldnerin das Gelände noch als Truppenübungsplatz in Anspruch nimmt.


Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts und der Rechtsansicht der Vollstreckungsschuldnerin ist jedenfalls das Aufstellen von Schildern mit der Bezeichnung „Truppenübungsplatzkommandantur Wittstock - Der Kommandant - Warnung vor den Gefahren auf dem TrÜbPl Wittstock“ nicht mit den Sachaussprüchen in den Urteilen des Senats vom       24. März 1999 zu vereinbaren; insbesondere ist hierin keine Nutzung zu sehen, die von den Aussprüchen der genannten Urteile nicht erfasst ist. Denn mit solchen Schildern schreibt die Vollstreckungsschuldnerin dem fraglichen Bereich - weiterhin - ausdrücklich diejenige Nutzung zu, die sie auf den Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen zu unterlassen verurteilt ist.

 

Den Urteilen des Senats vom 24. März 1999 würde auch durch das Aufstellen oder Stehenlassen von Schildern zuwidergehandelt, auf denen die auf den Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen befindlichen Teile des früheren Truppenübungsplatzes als solche als „Militärischer Sicherheitsbereich“ bezeichnet werden. Eine Beschilderung dieses Inhalts wäre mit den Urteilen nur in dem Maße vereinbar, in dem sie dazu zu dienen vermag, wegen konkreter, sich aus der früheren militärischen Nutzung ergebender Gefahren eine ihrer eigenen Auffassung nach für den jeweils betroffenen Bereich obliegenden Verkehrssicherungspflicht der Vollstreckungsschuldnerin Genüge zu tun. Den auf den Gemeindegebieten der Vollstreckungsgläubigerinnen liegenden Teil des früheren Truppenübungsplatzes darüber hinaus auf Schildern als „Militärischer Sicherheitsbereich“ zu bezeichnen, würde den Urteilen vom 24. März 1999 zuwiderlaufen. Sie wäre der darin untersagten Art von militärischen Nutzungen zuzurechnen. Zwar trifft es zu, dass die der begehrten Vollstreckungshandlung zugrunde liegenden rechtskräftigen Urteile des Senats ihrem Wortlaut zufolge nicht schlechthin jede militärische Nutzung, sondern nur eine Nutzung „als Truppenübungsplatz oder Luft-Boden-Schießplatz, einschließlich einer dieser Nutzung dienenden Durchführung von Tiefflügen“ untersagen. Den von dem Senat als sachdienlich angeregten (§ 86 Abs. 3 VwGO) Klageanträgen und dessen Entscheidungen sowie den Urteilen des Revisionsgerichts (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom        16. November 2000, verkündet am 14. Dezember 2000 - 4 C 12.99 und 4 C 13.99 -) können keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, ihnen habe die Vorstellung zugrunde gelegen, bei der Fassung der Sachaussprüche zwischen unterschiedlichen Arten militärischer Nutzungen aus Rechtsgründen zu differenzieren; vielmehr hatte nach den tatsächlichen Gegebenheiten lediglich eine Nutzung des Geländes des früheren Truppenübungsplatzes Wittstock zu den genannten Zwecken (Truppenübungsplatz, Luft-Boden-Schießplatz) in Rede gestanden. Die Anträge der Beteiligten jener Verfahren und die diesen entsprechenden Sachaussprüche in den Urteilen des Senats greifen lediglich diese tatsächlich vorgegebene, seinerzeit allein in Rede stehende Nutzung dieses Geländes auf. Die Kennzeichnung der fraglichen Teile der Gemeindegebiete der Vollstreckungsgläubigerinnen als „Militärischer Sicherheitsbereich“ war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 24. März 1999 Teil eben dieser Nutzung, ist daher von den Sachaussprüchen der Urteile auch ohne weiteres mit erfasst.

 

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Urteile des Senats vom 24. März 1999 keine Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin zur Räumung beinhalten. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss (Seite 3 des Abdrucks), denen zufolge sich aus den in Rede stehenden Urteilen des Senats keine Verpflichtung für die Vollstreckungsschuldnerin ergebe, bestimmte Flächen herauszugeben bzw. einer Nutzung durch die Antragstellerinnen zur Verfügung zu stellen, nimmt der Senat Bezug.

 

Hinsichtlich der Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes hat der Senat die Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten berücksichtigt. ebenso den Umstand, dass eine Ausschöpfung des in § 172 Satz 1 VwGO vorgesehenen Betrages die Leistungsfähigkeit der Vollstreckungsschuldnerin nicht beeinträchtigen kann.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. l, § 13 Abs. 1 Satz l GKG. Die Bedeutung des Verfahrens für die Vollstreckungsgläubigerinnen bemisst der Senat im Wege der gebotenen Pauschalierung und Schematisierung mit einem Viertel des Hauptsachestreitwerts, somit mit einem Betrag von 50.000,00 DM je Gemeinde.

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ l52 Abs. 1 VwGO).

 

 

 

 

 

Krüger                                                            Bergk                                                  Leithoff