87.Protestwanderung

1. Januar 2004

in Schweinrich

 

 

Geistliche Besinnung

Pfarrer Kölbel, Schwante

 

 

Wir sind zusammen im Namen Gottes, der den Himmel geschaffen hat, das wir ihn achten als unendliche Weite über uns; als Lebensraum für die Vögel und nicht als Übungsstrecke für tödliche Tiefflieger.

Wir sind zusammen im Namen Gottes, der die Erde geschaffen hat, dass wir sie bebauen und bewahren und nicht als Sandkasten für Kriegsspiele missbrauchen.

Wir sind zusammen im Namen von Jesus Christus, der liebend und beschämend den Feind überwindet und sich nicht für die Todeslogik der Gewalt missbrauchen lässt.

Und wir sind zusammen im Namen des Heiligen Geistes, der uns im Protest und im Kampf für das Leben und gegen allen Tod verbindet und inspiriert. Von diesem Gott erwarte ich Hilfe, Kraft und Orientierung für uns alle im Jahre 2004.

Amen.

So soll es sein.

 

Herzlich Willkommen allen, als die Bewegten und Widerständigen für die freie Heide.

Danke für die Einladung zu einem geistlichen Start. Ich bin schon vorgestellt worden,

Helmut Mittermeyer aus Berlin auch. Ich habe heute bewusst meine Uniform angezogen, in weiß, als die Hoffnung der Weihnachtszeit und Osterzeit und ich bin unbewaffnet. Wir überlassen hier nicht den grünen tarnfarbenen und waffenstarrenden Uniformen das Feld. Wir sind das widerständige und hoffende Volk, wir ziehen nicht mit dem Immanuel „Gott mit uns“ auf den Koppelschlössern in den Krieg. Und wir bereiten ihn nicht mit vor; gegen wen und wo auch immer.

Wir bereiten den Frieden vor, der mehr ist als ein Waffenstillstand im nahen Osten, im Irak oder in Afghanistan oder ein löchriges Antiterrornetzwerk, das immer wieder mit Milliarden und Bomben gestopft wird und die Schaffung von Gerechtigkeit vernachlässigt. Das setzen auf Gewalt und Terror ist immer auch ein Ausdruck von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Wie hoffnungslos sind die Planer eines BOMBODROM’s ?

 

Am Beginn des Neuen Jahres ist das Gewesene nicht einfach vergangen, nicht persönlich und nicht gesellschaftlich politisch. Am Beginn des neuen Jahres 2004 ist das Gewesene nicht einfach vergangen; wir nehmen mit die Niederlagen und Enttäuschungen, die Gefühle der Ohnmacht und des Betrogenseins im Kampf, aber auch die Anerkennung und die Erfolge, die Etappenziele, den Mut, und die Hoffnung auf eine freie Heide. Mit der Erinnerung gehen, widerstehen und  stehen wir auf und haben so Zukunft.

 

(Saxophonzwischenspiel: Improvisation zu „we shall over come“)

 

Wir gehen als die Bewegten, wir bleiben nicht sitzen als die Müden und die, die es eh schon wissen. Nicht als die Satten, die nichts mehr wollen. Nicht als die Resignierten, die nichts mehr erwarten und nur noch auf die da oben glotzen.

Wir bleiben nicht sitzen als die ohne Hoffnung, bloß weil alles für Krieg und Terror zu sprechen scheint. Wir gehen als die Protestierenden, die wissen, dass die Welt mal anders gemeint war und gemeint ist: Gerecht, solidarisch und voll Frieden mit allen Lebenden.

Wir gehen als die Visionäre, gespeist mit uralten Überzeugungen vergangener Generationen. Wie diese aus dem 2500 Jahre alten Jesajabuch. Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. Und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht und jeder Mantel durch Glut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt, denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben und die Herrschaft ruht  auf seiner Schulter. Und er heißt „Wunderrat“, „Gottheld“, „Ewigvater“, „Friedefürst“. Und auch folgender Jesaja-Text, der uns Anfang der 80-er Jahre in der DDR begleitet hat, soll hier als Vision stehen:

Am Ende wird Gott die Völker zurechtweisen; da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen.

Wir sind bewegt von verschiedenen Überzeugungen, in verschiedenen politischen Lagern und Verknüpfungen und vom Glauben in verschiedenen Religionen und Konfessionen. Wir bewegen uns und stehen auf gegen den Tod. Der vom Tod Auferstandene ist so mit uns.

 

(Saxophonzwischenspiel: Improvisation „Fantasiestück“)

 

Ich lade die Einen zum Gebet, die Anderen zum Nachdenken ein:

Gott des Friedens, wir suchen den Frieden zuerst in unseren Herzen, dann für die weite Welt. Hilf uns, wenn wir uns verzetteln im Kleinkrieg um Anerkennung und Liebe.

Lass uns unsere Kämpfe mit offenem Visier austragen ohne psychische und körperliche Gewalt.

Gib Frieden und wir wollen kooperieren.

Gib Mut und wir wollen die Angst anschauen, damit sie nicht über uns herrscht.

Gib Fantasie und wir wollen bunte Bilder einer Freien Heide malen.

Gib Verstand und Klarheit allen, die für die Freie Heide durch den Paragraphendschungel blicken müssen.

Sei bei denen, die politisch auf der Parteilinie bleiben sollen, dass sie das eigene ich nicht aufgeben.

Sei bei den Taktierern und Lavierern, dass sie nicht einsam und mit dem Rücken zum Volk vegetieren müssen.

Sei bei den um die Existenz bedrohten in dieser Gegend, dass sie Solidarität und Unterstützung von uns als Kunden und Verbrauchern erfahren.

Sei mit uns bei denen, die immer wieder kleinen Dinge des Widerstandes organisieren, Kaffe kochen, Plakate malen, drucken, Geld sammeln, Leute ansprechen, heizen, orgeln, na ihr wisst schon .....

Sei bei denen auf der anderen Seite, sei bei den Befehlsempfängern und den Parteisoldaten, dass wir sie ohne Gewalt beschämen und zur Umkehr locken.

Sei bei den Mitläufern, die die Masse suchen und die Fahne im Wind haben. Lass uns ihnen die Solidarität der Protestierenden schmackhaft machen.

Für uns bitten wir dich: Mal frech und stark, mal kleinlaut und angepasst, mal kerngesund und mal schlapp zum Sterben.

Und nun segne uns Gott:

Möge die Straße uns zusammen führen,

und der Wind in unserem Rücken sein,

sanft falle Regen auf unsere Felder

und warm auf unser Gesicht der Sonnenschein.

Und bis wir uns wiedersehen halte Gott uns fest in seiner Hand.

Amen.

 

Saxophonauszug: Improvisation „Fantasiestück“)

 

f.d.R.d.A.: Rainer Kühn

Chronist BI-FREIeHEIDe