80. Protestwanderung

1. Januar 2003

in Schweinrich

 

 

Andacht

 

Pfarrer Benedikt Schirge, Zühlen

 

 

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine freie Heide!

 

Alle Jahre wieder fängt das Jahr in Schweinrich an. Seit 11 Jahren schon, für eine freie Heide wandern. Und das ist ein ganz besonderer Jahresanfang, finde ich. Jedes Mal, wenn die Kirche sich füllt, wenn die Parkplätze voll werden und die Leute hier her strömen, dann ist das ein Gefühl, das mir Kraft gibt und das mir Mut macht für das, was vor uns liegt. Und es liegt ja noch etliches vor uns. Wir haben ein erfolgreiches Jahr im Jahre 2002 für die FREIeHEIDe gehabt. Wenn ich kurz daran erinnern darf, hier vor einem Jahr, auch in der vollen Kirche, auch bei Kälte, fast noch schlimmer als heute, dann die große schöne Torte für die Wiederwahl von Landrat Gilde vom Bäckermeister Jahnke aus Flecken Zechlin, die wir gar nicht geschafft haben. Dann kam der Ostermarsch, wo der Wolfgang Uhlmann zu uns gesprochen hat. Die Veranstaltung zum 10-jährigen Bestehen der FREIenHEIDe, es war keine so lustige Feier oder ausgelassene fröhliche Feier, denn es war ja nur eine Etappe und kein Abschluß. Von da her waren wir auch vorsichtig, die Sekt-Gläser zu schwingen.

 

Und dann im Herbst bei den Koalitionsvereinbarungen, endlich nach 10 Jahren, der Fakt, dass das Problem auf der Regierungsebene angekommen ist. Was nun daraus wird, dieses liegt leider noch vor uns, schöner wär’s, wenn es auch schon zu einem positiven Ergebnis geführt hätte. Aber das Jahr 2003 fangen wir nicht nur leicht und fröhlich an, mit den vor uns liegenden Aufgaben, sondern Herr Schönberg erwähnte es ja bereits schon, auch mit Sorgen, denn der Krieg im Nahen Osten steht unmittelbar bevor, während wir hier beisammen sind und für den Frieden, für die freie Heide wandern, sind andere unterwegs in den Nahen Osten um dort die Truppenstärke täglich zu erhöhen. Und das erfüllt uns alle mit großen Sorgen, wir wissen eigentlich nicht, was macht man in solchen Situationen, wo man sich hilflos ausgeliefert fühlt, dem Weltgeschehen. Unsere Aufgabe ist es hier in Deutschland die deutsche Regierung weiterhin zu bestärken, nichts Unterstützendes für diesen Krieg zu tun. Denn wir erleben ja gerade in diesen Tagen um Weihnachten, wie die Regierung versucht dort leichte Veränderungen, Nuancen in der Beurteilung zum Krieg vorzunehmen. Das Interview von Fischer, man kann ja sagen: “wenigstens sagt er es vorher..!“ und wir erleben die Überraschungen dann erst nicht in der UNO, aber es ist nicht hinnehmbar, und was wir tun können, das müssen wir heute tun und an allen anderen möglichen Tagen, für den Frieden aufstehen, für den Frieden handeln, das Wort ergreifen oder zur Tat schreiten, z.B. in dem wir wandern. Ich will jetzt weiter keine Beispiele nennen, aber es gibt so viele Möglichkeiten, die jeder für  sich finden kann. Und ich sehe unsere Aktionen hier mit der freien Heide natürlich auch in dem Zusammenhang, wie sich die Weltsituation verändert. Als nach der Wende es so aussah, als ob die Welt friedlicher würde, da hätten die Chancen eigentlich größer sein können hier eine freie Heide zu erlangen. Aber das war damals nicht möglich.

 

Wir haben damals den Verteidigungsminister Volker Rühe gehabt und nach einem Besuch bei ihm wussten wir, es ist zwecklos, mit ihm werden wir dieses Projekt nicht hinkriegen. Und ich habe damals vor 11 Jahren auch so hier gestanden und verwegen gesagt: „Wir werden Volker Rühe als Verteidigungsminister überleben!“, als Bürgerinitiative. Das haben wir auch getan, wenn auch etwas länger, als wir eigentlich wollten aber es kam dann eine andere Zeit. Dann kam der Verteidigungsminister Scharping auf den wir mehr Hoffnung gesetzt hatten, als auf den Verteidigungsminister Rühe. Aber es gab nie ein Gespräch, nicht mal ein Gespräch in den 4 Jahren. Nun möchte ich sagen, bei Verteidigungsminister Struck, ja ich musste erst mal überlegen einen Moment, wollen wir noch nicht so prophetisch rangehen und sagen, wir müssen ihn noch überleben, sondern wir geben ihm die Chance, dass er vielleicht hier einen positiven Schlussstrich zieht und er ist ja derjenige, der von der Regierungskoalition beauftragt ist die Überprüfung vorzunehmen, das er zu einem anderen Ergebnis kommt, als es bisher alle die daran beteiligt waren immer wollten.

 

Vielleicht mag man sagen, angesichts der Situation ist das kaum vorstellbar, weil man ja jetzt für andere Einsätze sich rüstet. Aber, ich denke, wenn wir weiterhin so engagiert und auch beseelt von dem, was uns bewegt, was uns erfüllt, und uns auch gegenseitig weiter stärken wird, dann wird es auch möglich, dass wir diese Heide frei kriegen und vielleicht auch in diesem elften Jahr, denn es gibt Träume, die werden wahr. Träume, die nicht nur eine Illusion sind, obwohl man bei großen Zielen in der Regel geneigt ist abzuwinken, aber es gibt Träume, die werden wahr.

 

Einer dieser ganz großen Träume, vielleicht der Berühmteste, fängt mit diesen Worten an: „Heute sage ich euch, meine Freunde, trotz der Schwierigkeiten von heute und morgen habe ich einen Traum. Es ist ein Traum, der tief verwurzelt ist und der Menschlichkeit.“ Und dieser Traum von Martin Luther King ist ja auch ein ganzes Stück wahr geworden. Ich denke, es ist noch nicht am Ende mit der Gleichberechtigung zwischen Schwarz und Weiß. Aber es ist ein großes Stück in nur wenigen Jahren möglich gewesen zu verändern. Und so möchte ich auch sagen: Ich habe einen Traum, ich habe den Traum, dass es möglich sein wird, unsere Welt friedlicher zu machen. Ich habe den Traum, dass unsere Kinder und Kindeskinder, wenn wir es selber nicht erleben, in einer friedlicheren Welt leben, als wir es heute tun. Ich habe den Traum, dass die Vernunft sich durchsetzen wird, und nicht die bisherige Lösung bei Problemen, die stets auf Gewalt setzt, ewig weiter anhalten wird. Ich habe den Traum, dass auch ein amerikanischer Präsident, der am Heiligen Abend in die Kirche geht und die Weihnachtsbotschaft hört, die den Frieden auf der Welt verkündet, „Frieden auf Erden“, dass trotz der vielleicht wie Günter Grass vermutet hat, Erfüllungspflichten gegenüber seinem Vater, die er nun mit dem Sturz von Hussein vielleicht vollenden will, dass trotzdem, so lange es noch nicht passiert ist, sich etwas bewegen lässt, dass Frieden möglich ist auf dieser Welt und dass auch, wenn es zu diesem Krieg kommen sollte im Nahen Osten, der Kreis der Menschen, die für den Frieden sich einsetzen und kämpfen, dass der nicht kleiner wird, sondern, dass er größer wird, dass er ansteckt, dass Menschen mitgenommen werden und diese Bewegung doch eines Tages vielleicht bei unseren Ur-Ur-Ur-Enkeln oder wann auch immer  dazu führen wird, dass Menschen bei Problemen nicht mehr zur Waffe greifen, sondern sie mit anderen Mitteln lösen. Dafür wollen wir heute wandern, dafür werden wir auch in Zukunft wandern, werden uns bestärken von den prophetischen Aussagen im Alten Testament , wo sehr vieles steht über den Frieden:  „Suche den Frieden und jage ihm nach!“, das ist ein ganz kurzer Vers aus dem 34.Psalm und ich denke, er ist ein gutes Motto für das Jahr 2003.

 

Ich möchte mit ihnen gemeinsam das neue FREIeHEIDe-Lied noch singen, bevor wir dann los wandern. Helmut Kolar, der unter uns ist hat es getextet und es ist bei dem Benefiz-Konzert für die FREIeHEIDe wo wir noch mal herzlich für danken wollen, dass dort die Kantorei im Dezember in Frankendorf für die freie Heide gesungen hat und wir Geld sammeln konnten. Es ist dort das erste mal gesungen worden, und ich denke es ist so schön, dass wir es nicht bei diesem einen mal belassen sollten. Deswegen hoffe ich, dass viele einen Zettel haben und etliche auch die Melodie kennen, dass wir dieses Lied gemeinsam singen.

(Kantor Domke aus Neuruppin spielt auf der Orgel der Schweinricher Kirche das neue „Freie Heide Lied“ nach der Melodie „Wohl denen die da wandeln....“ Ev. Kirchengesangbuch Lied Nr. 295.)